
Nehammer nach Moskau-Besuch: "Putin steckt tief in seiner Kriegslogik"
“Offen, direkt, hart”: Mit diesen drei Worten beschreibt Karl Nehammer das 75-minütige Gespräch, das der Bundeskanzler heute mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin hinter verschlossenen Türen führte. Dass es sich dabei um “keinen Freundschaftsbesuch” gehandelt hat, stellte Nehammer bereits vorab klar – die Ergebnisse präsentierte er in einer Videokonferenz. Der eXXpress berichtet live.
Ein hochspannendes Treffen hat am heutigen Montag zwischen Bundeskanzler Karl Nehammer und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin stattgefunden. Der Kanzler war dabei der allererste EU-Regierungschef überhaupt, den der Kremlchef nach seinem Angriffsbefehl auf die Ukraine und dem Beginn des Kriegs am 24. Februar dieses Jahres persönlich empfing. Dabei fand das Gespräch allerdings nicht in Moskau selbst, sondern 30 Kilometer vom Kreml entfernt, in Putins Residenz Nowo-Ogarjowo, statt.

Was bei der brisanten Unterredung, die unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen hinter verschlossenen Türen stattfand und 75 Minuten dauerte, herauskam, darüber informiert der Bundeskanzler in einer Videokonferenz live aus der österreichischen Botschaft in Moskau. Der eXXpress übertrug und berichtete live.
Was Nehammer zum Gespräch mit Putin zu sagen hatte, lesen Sie hier:
"Kein Freundschaftsbesuch" bei Putin
“Das war kein Freundschaftsbesuch”, stellte Bundeskanzler Karl Nehammer bereits kurz nach seinem 75-minütigen Gespräch mit Wladimir Putin klar. Für den Bundeskanzler sei es vielmehr eine “Pflicht” gewesen, persönlich zum russischen Präsidenten zu reisen, der vor bald acht Wochen den Angriffsbefehl auf sein kleines Nachbarland gegeben hatte.
Nehammer: "Der Krieg muss ein Ende haben"
Das Gespräch mit Putin selbst bezeichnete Nehammer als “sehr direkt, offen und hart”. Dennoch scheute sich der Kanzler nicht davor, den Krieg und auch die Kriegsverbrechen Russlands gezielt mit Putin anzusprechen und den Kremlchef direkt mit dem Unrecht, das gerade geschieht, zu konfrontieren. “Mir war wichtig, klar auszudrücken, dass der Krieg ein Ende haben muss”, stellte Nehammer klar.
Nehammer: "Habe Putin gesagt, dass es keine Rechtfertigung für den Krieg gibt"
“Für uns gibt es keine Rechtfertigung für den Krieg, der Krieg basiert auf keinerlei Grundlage”, erklärte Nehammer, der auch schilderte, dass die russische Gegenseite das nach wie vor ganz anders sehe. Während Moskau weiterhin von einer “Operation” in Russland spreche und jegliche von der russischen Armee begangene Kriegsverbrechen leugnet, schildert der österreichische Bundeskanzler seine eigenen Erlebnisse von vor zwei Tagen in der Ukraine.
Nehammer zu Besuch in Bucha: "Habe Leichen in Massengräbern mit eigenen Augen gesehen"
Nehammer war am Samstag nach Kiew gereist und hatte nicht nur mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und den Klitschko-Brüdern gesprochen, sondern auch Bucha besucht, wo er auch die Massengräber “mit eigenen Augen” gesehen habe: “Die Körper der Toten waren teilweise noch erkennbar”, erinnert sich Nehammer, der die Folgen des Krieges dort nicht nur aus diesem Grund als “massiv sichtbar” schildert.
Putins Reaktion auf Bucha: "Wir haben keine Zivilisten umgebracht"
Putins Reaktion auf Nehammers Schilderungen aus Bucha entsprach laut dem Bundeskanzler ganz dem offiziellen Narrativ des Kremls: Die russische Armee habe keine Zivilisten umgebracht und man achte darauf, die zivilen Opfer – die es aber in jedem Krieg nunmal gebe – möglichst gering zu halten. Auch die Unterstellung einer Inszenierung des Massakers in Bucha brachte der russische Präsident im persönlichen Gespräch mit dem österreichischen Bundeskanzler auf den Tisch.
Nehammer: "Putin steckt noch ganz in der Kriegslogik"
Putins Ziel sei unverändert und klar, erklärte Nehammer: Der Kremlchef sei ganz in seiner “Kriegslogik” verhaftet und halte an seinem Wunsch nach der nachhaltigen Eroberung der Regionen am Donbass fest. In diesem Zusammenhang geht Nehammer auch von einer neuen, heftigen Großoffensive der russische Armee im Osten der Ukraine aus.
“Die Schlacht darf man in ihrer Heftigkeit nicht unterschätzen”, betonte Karl Nehammer. Putin “brauche” diese Schlacht, um sein Kriegsnarrativ zu stützen.
Nehammer: Sehe Hoffnung auf baldiges Ende des Kriegs "eher pessimistisch"
In seiner Einstellung zu einem möglichen baldigen Ende des Krieges zeigte sich Nehammer auf Frage von Journalisten “eher pessimistisch”.
Friedensverhandlungen in der Türkei als "einziger Hoffnungsschimmer"
Bei allen, angesichts der bedrohlichen Lage um Kriegsgeschehen eher pessimistischen, Einschätzungen des Kanzlers sah Nehammer doch auch einen kleinen Hoffnungsschimmer. Dieser läge in der Tatsache, dass Wladimir Putin im Zwei-Augen-Gespräch die Friedensverhandlungen in der Türkei in Eigeninitiative ins Spiel habe.
Diese Tatsache wertet Nehammer vorsichtig positiv, ebenso wie die Bereitschaft des russischen Präsidenten, die Gespräche bei Erdogan weiterzuführen – wenngleich sich Putin “enttäuscht” von der “mangelnden Kooperationsbereitschaft” auf ukrainischer Seite zeigte.
Kommentare