Namen, Fotos veröffentlicht: Jagd auf Putins geheime Raketen-Techniker
Ein internationales “Sonderkommando” deckte nun auf, wer hinter der Programmierung russischer High-Tech-Raketen bei den Angriffen auf die Ukraine steht. Es handelt sich durchwegs um junge IT-Fachleute im „Hauptrechenzentrum“ des russischen Generalstabs – sie müssen jetzt um ihr Leben fürchten.
In den frühen Morgenstunden des 10. Oktober prasselte ein wahrer Regen russischer Raketen auf die größten Städte der Ukraine nieder. Es war der schauerliche Auftakt für den größten koordinierten Raketenangriff Russlands seit Beginn des Ukrainekriegs am 24. Februar.
Und er dauert bis heute an. Obwohl Moskau sich mit der „chirurgischen Präzision“ seiner Marschflugkörper immer wieder gerne brüstet, haben die massenhaften Raketenangriffe seit dem 10. Oktober auch Opfer unter der ukrainischen Zivilbevölkerung gefordert.
Laut Moskau zielen die geballten russischen Angriffe mit Marschflugkörpern einerseits auf militärische und sicherheitspolitische Kommandozentralen, andererseits auf das nationale Energienetz der Ukraine ab. Bei den russischen Raketen, die in den vergangenen Wochen massenweise abgefeuert wurden, handelt es sich vor allem um Marschflugkörper der Typen seegestützte Kalibr, bodengestützte R-500 für das Iskander-System und luftgestützte Kh-10.
Geheime Gruppe von 30 Militäringenieuren und Raketenprogrammierern
Die durch die Raketen verursachten flächendeckenden Zerstörungen haben dazu geführt, dass Millionen Ukrainer in Städten wie Kiew, Charkiw, Lemberg, Winnyzja und Dnipro heute keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu Strom haben. Nun stellt sich unweigerlich die Frage, wer genau für die Festlegung der genauen Angriffsziele und die Programmierung der Raketen-Flugbahnen auf russischer Seite verantwortlich ist.
Investigativ-Journalisten von Bellingcat, The Insider und Spiegel gelang es nach sechs Monaten Recherche, den Nebel zu lichten und eine streng geheime Gruppe von mehr als 30 Militäringenieuren und Raketenprogrammierern an den Standorten Moskau (Verteidigungsministerium) und St. Petersburg (Admiralität) ausfindig zu machen. Wie dieses internationale “Sonderkommando” feststellte, arbeiten alle diese IT-Spezialisten für das „Hauptrechenzentrum“ des Generalstabs der russischen Streitkräfte, kurz: GVC.
Vor allem junge Männer und Frauen im Alter von 20 bis 30 Jahren
Was überrascht: Beim Großteil der von den Investigativ-Journalisten identifizierten GVC-Mitgliedern handelt es sich um junge Männer und Frauen im Alter von 20 bis 30 Jahren mit IT-Ausbildung und sogar Erfahrungen in der Entwicklung von Computerspielen. Alle freilich durchliefen russische Militärakademien, die auf Raketentechnik und -programmierung spezialisiert sind. Einige von ihnen arbeiteten bereits zwischen 2016 und 2021 in der russischen Militärkommandozentrale in Syriens Hauptstadt Damaskus – Russland setzte im syrischen Bürgerkrieg wiederholt Marschflugkörper ein.
Aufgrund ihrer Recherchen gehen die Enthüllungsjournalisten davon aus, dass die von ihnen identifizierten GVC-Mitarbeiter für die Programmierung der Raketenflugbahnen und die Festlegung der Ziele in der Ukraine verantwortlich sind. Sie fanden außerdem heraus, dass sie in drei Teams zu je zehn Personen arbeiten, die auf drei Raketentypen spezialisiert sind (Kalibr, R-500 und Kh-10). Sie konnten sogar den Kommandanten aller Raketenprogrammierer beim GVC ausmachen: Oberstleutnant Igor Bagnyuk.
Investigativ-Journalisten bezogen Daten vom russischen Schwarzmarkt
Als Direktor des gesamten GVC konnte ein gewisser „Generalmajor Baranow“ identifiziert werden. Skurril: Die Enthüllungsjournalisten kamen bei ihren monatelangen Recherchen vor allem dank der Aufzeichnungen von unzähligen Telefongesprächen voran, die Bagnyuk mit den Mitgliedern der einzelnen GVC-Teams sowie Generalmajor Baranow jedes Mal vor russischen Raketenangriffen auf die Ukraine führte. Die brisanten Gesprächsaufzeichnungen bezogen die Investigativ-Journalisten „vom russischen Schwarzmarkt für Daten“.
Angesichts der vielen Menschenopfer und der Zerstörung ziviler Gebäude und kritischer ziviler Infrastruktur infolge der russischen Raketenangriffe auf die Ukraine sind internationale Untersuchungen bereits eingeleitet worden. Russland könnte sich Kriegsverbrechen schuldig gemacht haben. Inwieweit aber Oberstleutnant Bagnyuk und die ihm unterstehenden russischen Raketenprogrammierer des GVC vor dem Internationalen Strafgerichtshof belangt werden können, bleibt abzuwarten.
Aber schon jetzt müssen diese geouteten Raketentechniker um ihr Leben fürchten: Immerhin gelingt es auch Geheimdiensten, mit einer Autobombe die Tochter eines russischen Propagandisten zu ermorden – in direkter Nähe Moskaus.
Kommentare