Analyse: Fünf Szenarien, wie die USA - auch offiziell - den Krieg gegen Russland beginnen
Milliardenteure Waffenlieferungen, Geheimdienst-Infos, Militärberater, Söldner: Schon jetzt sind die US-Streitkräfte massiv in den Ukraine-Krieg involviert. Wie es nun auch ganz offen zu einem Krieg der USA gegen Russland kommen kann, das erklärt der US-Experte John Mearsheimer – es gibt dafür fünf Szenarien.
Nach dem Mordanschlag auf die Tochter des früheren Putin-Beraters Alexander Dugin liegen in Moskau die Nerven blank, tausend Russen fordern Rache, eine massive Vergeltungsaktion ist zu befürchten. Zeitgleich will die Führung in Weißrussland noch immer nicht die schon seit Wochen laufenden Manöver an der Nordflanke der Ukraine beenden, zusätzlich werden gefährliche Zwischenfälle mit Luftraumverletzungen gemeldet (der eXXpress berichtete).
In dieser hochexplosiven Mischung könnte nun eine einzige Reaktion der US-Regierung zum gewaltigen offenen Krieg der amerikanischen Streitkräfte mit der russischen Armee führen – davor warnt nun der bekannte Politikwissenschaftler und Analyst John Mearsheimer von der Universität Chikago.
Sofortiger Kriegseintritt der USA bei Kollaps der ukrainischen Armee
Und diese fünf Szenarien nennt Mearsheimer:
Erstens, Washington sieht einen – durchaus möglichen – Kollaps der ukrainischen Armee und damit einen klaren Sieg der russischen Streitkräfte: Um dieses Ergebnis doch noch zu verhindern, müsste die Biden Administration Truppen direkt in der Ukraine einsetzen, aber dabei auch irgendwie vermeiden, dass Moskau Atomwaffen gegen die neuen Gegner auf dem Schlachtfeld einsetzt.
Und wenn die USA nicht von sich aus eingreifen würden, könnte Kiew das bei einer drohenden Niederlage sogar erzwingen, meint Mearsheimer. Nämlich mit gewaltigen Raketenangriffen auf russische Städte – in der Hoffnung, dass Russland auf diese Provokation ebenso ukrainische Großstädte bombardieren würde. Was wiederum zu einem Einsatz von US-Truppen in der Ukraine führt.
Bombardierung von westeuropäischen AKW wäre Anlass für Kriegserklärung Washingtons
Zweites Szenario: Wenn auch in den USA die Akzeptanz für die milliardenteuren Waffenlieferungen an die Ukraine sinkt, müsste Washington anders handeln, um die Regierung in Kiew zu stützen. Etwa mit der Einrichtung einer Flugverbotszone über der Ukraine – was wiederum zwangsläufig zu einer direkten Konfrontation der US-Jets mit den russischen Luftstreitkräften führen würde.
Die dritte Möglichkeit: Ein russischer Marschflugkörper schlägt direkt in Kiew ein und die Explosion tötet zahlreiche US-Bürger, etwa auch UN-Mitarbeiter, Militärberater oder Nachrichtendienst-Mitarbeiter. Der US-Präsident müsste dann, um einen massiven Imageverlust in den USA zu vermeiden, einen Vergeltungsschlag befehlen. Beide Großmächte wären dann in einer Spirale der Gewalt.
Das vierte Szenario: Die Ukraine beschießt weiter das Kernkraftwerk Zaporizhzhy, das aktuell von russischen Truppen besetzt ist – und es kommt zu einem AKW-Unfall plus lebensgefährlicher Verstrahlung riesiger Landstriche, vor allem im nahen Russland. Moskau könnte mit einem Vergeltungsangriff auf ein europäisches Kernkraftwerk antworten, erinnert Mearsheimer an die Worte von Dmitry Medvedev: “Vergesst nicht, dass ihr Europäer auch Atomkraftwerke habt.” Bei einem russischen Angriff auf ein westeuropäisches AKW müssten die USA im Rahmen der NATO militärisch sofort eingreifen.
Weitere Befürchtung: Versehentlicher Kriegsbeginn
Und John Mearsheimer nennt in “Foreign Affairs” noch eine fünfte Variante, wie die USA schon bald in einen offenen Krieg mit Russland geraten könnten: versehentlich. der Politikwissenschaftler mahnt: “Bei einem irrtümlichen Zusammenstoß eines russischen Kampfjets mit einem zu nahe fliegenden US-Abfangjäger etwa über dem Baltikum kann es sofort zu dramatischen Folgen kommen – wenn dann noch die Kommunikation nicht funktioniert, kann die Eskalationsspirale nicht mehr gestoppt werden.”
All diese Gefahren, so Mearsheimer, liefern die Gründe dafür, dass eine starke Initiative für eine diplomatische Lösung des Konflikts dringend nötig ist. Bis dahin sollte Europa hoffen, dass die Kriegsparteien in Kiew und Moskau die täglichen Kämpfe ohne katastrophale Eskalation für mehrere Millionen Menschen managen. Dass dies bisher gelungen ist, sei ein schwacher Trost.
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