Andreas Khol über Rücktritt von Kurz: "Vorverurteilungen" waren Auslöser
Eigentlich hatte Ex-Nationalratspräsident Andreas Khol nicht mit einem Ausscheiden von Sebastian Kurz aus der Politik gerechnet, wie er gegenüber dem eXXpress festhält. Er habe aber Verständnis. Mit Blick auf die laufenden Ermittlungen gegen Kurz kritisiert Khol scharf die Vorverurteilungen und Chat-Leaks.
Er sei völlig überrascht von dem Polit-Rückzug von Sebastian Kurz gewesen, sagt der ehemalige Nationalratspräsident Andreas Khol (ÖVP) gegenüber dem eXXpress. “Ich hatte gedacht, dass er die Zeit nützen wird, um die Vorwürfe gegen ihn zu entkräften.” Allerdings habe er Verständnis für die Entscheidung, unterstreicht Khol, dem Kurz in seiner Abschiedsrede noch für dessen Unterstützung dankte. Die Geburt des eigenen Kindes sei ein einschneidendes Ereignis, das sämtliche Wertigkeiten verändere, sagt der ehemalige ÖVP-Spitzenpolitiker. “Insofern war ich nicht überrascht” – wohl aber sehr traurig über den Abgang dieses “Ausnahmetalents der Politik”.
Darüber hinaus habe Kurz möglicherweise auch gesehen, dass er als Parteiobmann kaum Handlungsmöglichkeiten hat.
"Für Politiker gilt immer die Schuldvermutung"
Den eigentlichen Auslöser für das plötzliche Karriere-Ende sieht Khol aber in der “Wucht an Anschuldigungen” und “einhelligen Vorverurteilungen” gegen Kurz. Mit Blick auf die Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) meint Khol: “Für Politiker gilt immer die Schuldvermutung”. Das Gerede von der Unschuldsvermutung werde hier zur leeren Floskel. Khol sieht den Ex-Kanzler als “Opfer einer sehr geschickt gemachten politischen Aktion”.
Dass laufende WKStA-Verfahren, noch vor einer Anzeige, mehrfach den Ruf von Politikern beschädigt und Karrieren beendet haben – vor allem durch kompromittierende Chat-Leaks – gebe ihm zu denken, sagt Khol. Hier müsse sich einiges ändern: “Wir brauchen eine Reform der Strafprozessordnung.” Diese müsse darüber hinaus auch eingehalten werden. “Sie verbietet die Veröffentlichung von Beweisstücken und Aktenbestandteilen noch vor einer Anklage. Das wurde in den vergangenen Jahren systematisch verletzt. Permanent wurden Dokumente geleakt und von Medien veröffentlicht, die sich dann auf das Redaktionsgeheimnis stützen”, beklagt der habilitierte Verfassungsrechtler.
"Chat-Leaks legen das Innere von Menschen bloß"
Ein Problem könnten auch die überlangen Verfahrensdauern sein, in deren Verlauf sämtliche Aktenbestandteile den Weg in die Medien finden. Darüber hinaus sei in Österreich zwar das Briefgeheimnis geschützt, nicht aber die Überwachung der Handys. Das sei eine österreichische Spezialität und hier müsse nachgeschärft werden. Auch der SMS-Verkehr müsse gerichtlich geschützt werden. “Zurzeit wird das Innere von Menschen bloßgelegt. Mit Persönlichkeitsschutz ist das nicht vereinbar.”
Seiner eigenen Partei will Khol öffentlich keine Tipps geben. Er habe Vertrauen in den ganz normalen Statutenvollzug, über den ein neuer, geschäftsführender Parteiobmann bestimmt werde. Gute Politiker in der ÖVP gebe es genug. “Die Volkspartei ist nicht ein einziger Mensch.” Es gebe je noch Gemeinderäte, Personalvertreter, Vertrauensleute und in Summe ein “Skelett von hunderttausenden Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren.”
ÖVP-Kanzler trotz bürgerlicher Mehrheit selten
Dass Österreich als mehrheitlich bürgerliches Land trotz durchgehender Mitte-Rechts-Mehrheit – mit Ausnahme der 1970er Jahre – in den vergangenen Jahrzehnten so selten einen bürgerlichen Bundeskanzler hervorgebracht habe, liege an der freiheitlichen Partei. “Diese wurde mit Unterstützung des legendären sozialdemokratischen Innenministers Oskar Helmer (1887 bis 1961) gegründet. Das ausgeprägte Ziel war, das bürgerliche Lager in der ÖVP zu teilen.” Langfristig sei das gelungen. Die FPÖ sei manchmal regierungsfähig, manchmal nicht.
Helmer spielte eine entscheidende Rolle bei der Parteigründung des VdU, der Vorgängerorganisation der FPÖ. Heute wird er auch wegen seiner ausgeprägten antisemitischen Neigungen kritisch bewertet.
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