Energiekrise: Angst vor Gelbwesten-Demos überschattet EU-Gipfel
Eigentlich hätte der Klimawandel zum Top-Thema beim EU-Gipfel – dem wohl letzten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel – werden sollen. Nun wurde es die Energiekrise, und dieses droht die Europäische Union zu spalten. Es drohen lange Debatten ohne konkrete Resultate, besonders die Regierungen in Süd-, Ost- und Mitteleuropa sind alarmiert. Angesichts steigender Preise für Erdgas, Heizöl, Benzin und Strom fürchten sie soziale Spannungen. Geringverdiener und Verbraucher in ärmeren EU-Staaten leiden am meisten unter den stark gestiegenen Preisen. Das Schreckensszenario wären neuerliche Straßenproteste und Gewalt wie bei den französischen Gelbwestenprotesten vor mehr als zwei Jahren. Im Sommer gab es bereits die ersten Energie-Demonstrationen in Spanien.
Frankreich wünscht sich eine Wende hin zur Atomkraft
Frankreich und andere Länder wünschen sich eine gemeinsame Antwort der EU – ein ganz schön schwieriges Unterfangen, wenn die Vorstellungen der einzelnen Staaten so weit auseinanderliegen. Manche Staaten fordern nämlich sogar Kurskorrekturen – etwa eine Wende zur Atomkraft oder ein Ende des Green Deals.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wirbt seit Monaten für die Atomenergie. Brüssel solle sie endlich als nachhaltige Energiequelle einstufen, fordert er. Das würde französischen Betreibern eine günstige Finanzierung ermöglichen. Sein Finanzminister Bruno Le Maire unterstreicht: „Wenn wir im Kampf gegen den Klimawandel erfolgreich sein wollen, brauchen wir Atomkraft. Wir brauchen Atomkraftwerke und wir müssen mehr in Kernenergie investieren.“ Andere Staaten sehen das ebenso – aber gewiss nicht Deutschland und Österreich.
Polen und Ungarn gegen den Green Deal
Polens Premier Mateusz Morawiecki wiederum will den europäischen ihres Klimaschutzplan „Green Deal“ überdenken. Die EU solle alle geplanten Reformvorhaben bis 2030, die möglicherweise die Energiepreise in die Höhe treiben, absagen, steht in einem informellen Arbeitspapier der polnischen Regierung. Auch Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban kritisierte den Green Deal, dass die EU-Kommission im Rahmen des Green Deals den Emissionshandel auf Verkehr und Gebäude ausweiten will: “Der Preis wird jeden Tag steigen, wenn dieser dumme Plan nicht zurückgezogen wird”, sagt dazu. “Deshalb müssen wir den Emissionshandel streichen oder aussetzen. Wir müssen zurück in die Realität.”
Festhalten wollen am Green Deal aber abseits der EU-Kommission auch Deutschland, Österreich und andere wohlhabende EU-Staaten. Immerhin haben sie ihren Ausstoß an Klimagasen weit schneller reduziert als etwa Polen oder Rumänien. Damit haben sie bisher einen größeren Teil der Kosten für die Umstellung getragen, und das hat die ärmeren Staaten entlastet.
Deutschland und Österreich gegen Eingriffe in den Markt
Manche Staaten fordern ein gemeinsames Einschreiten der EU, um die Preise nach unter zu korrigieren. Spanien etwa will, dass die EU gemeinsame Erdgas einkauft, auch Osteuropäer drängen auf gemeinsame strategische Gasreserven und Frankreich fordert eine Reform des europäischen Strommarkts. Auch das lehnen Deutschland, Österreich, die Niederlande und marktliberale Regierungen in Skandinavien ab. Hier sieht man in den derzeitigen Preisspitzen ein vorübergehendes Phänomen. Bundeskanzler Alexander Schallenberg etwa sprach sich schon im Vorfeld gegen Eingriffe in den europäischen Energiemarkt aus.
Heftige und lange Debatten werden also für den jetzigen EU-Gipfel erwartet. Am Ende wird es aber wohl sicher Gelder für die ärmeren Länder geben.
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