Angst vor "Tribunal": Ex-Corona-Experten fordern ausländische U-Kommission
Mehr als zwei Jahre waren die Corona-Experten in Medien und Politik präsent: Nun sollen ausländische Experten über ihre damaligen Krisenstrategien urteilen. Das fordern die Wissenschafter zumindest selbst, denn: In Österreich seien die Fronten zu verhärtet, vielerorts herrsche “Wissenschaftsskepsis”, man werde “ideologiegetrieben angepatzt”.
Die politische Aufarbeitung der Corona-Krise nimmt aktuell Fahrt auf – auch, wenn der Antrag der FPÖ zu einem Corona-U-Ausschuss am Mittwoch von allen anderen Parteien abgelehnt wurde. Immer mehr Wissenschafter und Mediziner fordern eine ordentliche Aufarbeitung und wollen die Maßnahmenstrategien der Regierung und des Expertenstabs unter die Lupe nehmen.
Ausländische Wissenschafter sollen objektive Studie erstellen
Die damalige Expertenkommission um Simulationsforscher Niki Popper, Gerald Gartlehner und Tanja Stamm befürchtet allerdings eine voreingenommene Bewertung durch andere Wissenschafter. Momentan beschränke sich die öffentliche Diskussion vor allem auf Polemik und Schuldzuweisungen, so Popper im Gespräch mit der APA. Belastendes Zahlenmaterial für eine bessere Diskussionsbasis können laut den ehemaligen Corona-Experten nur internationale, unabhängige Experten liefern.
Es brauche eine unvoreingenommene Gruppe aus ausländischen Wissenschaftern, befinden die drei ehemaligen Corona-Experten. Eine Beteiligung an der Evaluation sei dann natürlich ausgeschlossen, wie Popper und Gartlehner betonen. Mit einer internationalen Expertengruppe wären Interessenskonflikte weitestgehend ausgeschlossen. Diese könnte sich laut dem Epidemiologen und dem Simulationsforscher “sauber getrennt” ansehen, welche Daten und welchen Informationsstand man zu welcher Pandemie-Epoche hatte, welche Organisations- und Infrastrukturprozesse initiiert und welche Maßnahmen-Entscheidungen dann getroffen wurden.
Gefahr, dass "Tribunale abgehalten werden"
Dabei könne sich durchaus zeigen, dass manche Entscheidungen sehr evidenzbasiert und wieder andere davon komplett losgelöst getroffen wurden. Allerdings hätte man dann eine Einschätzung dazu abseits der Austro-Brille mit ihren “mannigfachen emotionalen Verflechtungen”. Aktuell laufe die Diskussion hierzulande “sehr emotional”, so Popper. Menschen, Institutionen und Parteien würden vielfach versuchen, Schuldige zu benennen und sich Bestätigungen dafür zu holen, dass man es immer schon besser wusste. Unter diesen Umständen – und ohne belastbare, objektive Aufarbeitung – sehen Stamm und Gartlehner durchaus die Gefahr, dass “Tribunale” abgehalten werden und nur auf politisches Kleingeld geschaut wird.
Kritik an Aus für Impf-Werbung an Schulen
Sorge habe man besonders vor einer noch stärkeren “Diskreditierung” der ohnedies in Österreich schon mit viel Skepsis beäugten Wissenschaft. Und: Für eine Gesellschaft entstehen durchaus große Folgeprobleme, wenn nun etwa die Diskussionen um das politisch motivierte Ende der Werbung für die Covid-19-Impfungen in Niederösterreichs Schulen macht, und dann Menschen vielleicht auch andere Impfungen auslassen. Da schlage die latente Wissenschaftsskepsis über Umwege in eine Gefahr für das Gesundheitssystem um, so Stamm: “Da ist schon die Frage, wo das in der Medizin dann hinführt.”
Im Rahmen eines Anfang des Monats gestarteten Forschungsprojekt mit dem Titel “Being Equipped to Tackle Epidemics Right” (BETTER) werden sich die ehemaligen Corona-Experten darum bemühen, die “Grundlagen für sinnvolle Lehren aus den Abläufen in der Pandemie” zu schaffen. Dabei konzentriert man sich unterstützt vom Wiener Wissenschafts- und Technologiefonds (WWTF) in den kommenden drei Jahren auf Analysen zu Niederösterreich und Wien. “Wir liefern aber keine Maßnahmen-Evaluation”, betonen die drei Wissenschafter.
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