Das Regierungsprogramm der künftigen ÖVP-SPÖ-NEOS-Koalition steht den Österreichern zum Download bereit. Neben bereits kommunizierten Punkten wie ein Kopftuchverbot für Minderjährige und der Erhöhung sowohl des Pensionsantrittsalters als auch der Tabaksteuer widmet sich das Programm auch ausführlich der Integration. Unter dem Punkt ‚Verbesserung und Ausbau der Werte- und Orientierungskurse’ werden auf Seite 92 die Grundwerte der österreichischen Verfassung aufgezählt. Und hier erfährt man Erstaunliches.

„Die verpflichtenden Werte- und Orientierungskurse (WOK) werden im Rahmen des Integrationsprogrammes ein essenzieller Bestandteil der Integrationsmaßnahmen in Österreich sein. In diesen werden die Grundwerte der österreichischen Verfassung wie Gleichberechtigung, LGBTIQ-Rechte, Menschenwürde, Antisemitismus, demokratische Prinzipien sowie unsere Gesetze vermittelt”, ist im Regierungsprogramm wortwörtlich zu lesen.

Peinlich: Screenshot des Regierungsprogramms von ÖVP-SPÖ-NEOS.Regierungsprogramm/Regierungsprogramm

Dass Antisemitismus zu Österreichs Grundwerten zählt, gibt nun Rätsel auf. Auch dass Antisemitismus in einem verpflichtenden Wertekurs den großteils muslimischen Zuwanderern als „essenzieller Bestandteil der Integrationsmaßnahmen in Österreich” vermittelt werden muss, ist mehr als befremdlich.

Der wohlwollende Leser interpretiert den Absatz wahrscheinlich so, wie er (hoffentlich) gemeint sein dürfte: Dass Antisemitismus in Österreich keinen Platz hat und dessen Ablehnung ein wichtiger Grundwert der österreichischen Verfassung ist. Was natürlich die nächste Frage aufwirft: Liest sich niemand das finale Regierungsprogramm vor Veröffentlichung und Absegnung durch? Ist keinem Mitglied am Verhandlungstisch einer der drei Parteien dieser schlimme Schnitzer aufgefallen?

Dieser ‚Tippfehler’ erinnert an die Novellierung des Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes im vergangenen September. Hier wurde die Abschaffung des biologischen Geschlechts zugunsten einer ideologischen Geschlechtsidentität von den Grünen in einer Dienstrechtsnovelle ‚versteckt’ und ‚unabsichtlich’ im Parlament beschlossen. Die ÖVP, die unter GÖD-Chefin Romana Deckenbacher  diese Dienstrechtsnovelle mit den Grünen verhandelte, rechtfertigte sich daraufhin, diesen Geschlechter-Aspekt übersehen zu haben.

Gesetze und Regierungsprogramme nicht zu lesen, hat in Österreich scheinbar Tradition. Auch auf die Gefahr hin, mit dem Rucksack des Holocausts Antisemitismus als Grundwert der österreichischen Verfassung festzuschreiben. Peinlich. Man darf gespannt sein, was die Zuckerl-Koalition noch alles irrtümlich beschließen wird.