Der Eurovision Song Contest 2026 droht für Wien zum politischen Minenfeld zu werden. Die Europäische Rundfunkunion (EBU) wird im November über einen möglichen Ausschluss Israels entscheiden – eine Mehrheit dafür gilt als wahrscheinlich. Hinter dem Vorstoß stehen vor allem linke Regierungen in Spanien und den Niederlanden.

Kanzler Christian Stocker und Staatssekretär Alexander Pröll (beide ÖVP) haben sich nun klar positioniert: Kein ESC in Wien ohne Israel. „Es ist unmöglich, dass genau wir einer jüdischen Künstlerin verbieten sollen, nach Wien zu kommen“, zitierte oe24 einen führenden ÖVP-Vertreter. Auch die Neos sollen diese Haltung teilen.

Doch Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) will das Mega-Event offenbar trotzdem austragen. Zwar nennt er einen Israel-Ausschluss „einen Fehler“, hofft aber weiter auf wirtschaftliche Vorteile durch den ESC. Es wäre das erste Mal seit 1945, dass jüdische Künstler von einem Großereignis in Wien ausgeschlossen würden – für viele Beobachter ein fatales Signal, ein symbolischer Tabubruch und letztlich ein Spiel auf Kosten der Steuerzahler. Denn während einzelne Branchen vom ESC profitieren, dürfte der Wettbewerb den Durchschnittsbürger mehr kosten als bringen – der ESC wird zum Millionenrisiko für Wien.

Sicherheitskosten explodieren – bezahlt vom Steuerzahler

Schon beim Song Contest 2024 in Malmö zeigte sich, wie teuer die Sicherheitslage geworden ist. Laut schwedischen Medien kostete allein der Polizeieinsatz rund 92 Millionen schwedische Kronen – umgerechnet fast neun Millionen Euro. Finanziert wurde das aus öffentlichen Mitteln, nicht von der Europäischen Rundfunkunion (EBU). Das bezahlt die Allgemeinheit.

Wien 2026: Millionenbudget für Prestigeprojekt

Für Wien stehen nun ähnlich hohe Summen im Raum. Bereits 2015 investierte die Stadt 11,71 Millionen Euro in Hallenmiete, Dekoration und Marketing. Für 2026 ist das Budget laut Medienberichten auf 22,6 Millionen Euro angesetzt – zusätzlich zu den ORF-Kosten. Das Geld fließt in ein PR-Projekt, das vor allem der politischen Selbstinszenierung dient: „Wien kann Weltstadt“, lautet das Motto – bezahlen müssen es die Wiener.

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ORF: Gebührenzahler bleibt auf Millionen sitzen

Auch der ORF rechnet mit massiven Kosten. Generaldirektor Roland Weißmann beziffert die Netto-Belastung auf rund 16 Millionen Euro – nach Abzug aller Sponsoren und Ticket-Erlöse. Ein Teil dieser Summe wird direkt aus dem Budget des öffentlich-rechtlichen Senders gestemmt, also von den Gebührenzahlern. Dabei steht der ORF ohnehin unter Spardruck – Olympia, Fußballrechte und ESC zusammen bedeuten enorme Zusatzlasten.

Dänemark als Warnung: 167 Prozent über Budget

Wie riskant solche Veranstaltungen werden können, zeigt das Beispiel Kopenhagen 2014. Der dänische Rechnungshof dokumentierte eine Budgetüberschreitung von 167 Prozent, am Ende summierten sich die Kosten auf 334 Millionen Kronen (rund 45 Millionen Euro). Die Folge: Rücktritte, Defizite, politische Aufarbeitung.

Das Lehrstück: Großereignisse dieser Art laufen meist aus dem Ruder – und am Ende zahlt ohnehin der Steuerzahler. Städte wie Tel Aviv (2019) und Stockholm (2016) meldeten zwar geringere Verluste, mussten aber ebenfalls auf öffentliche Zuschüsse zurückgreifen.

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„Wirtschaftsbooster“? Die Realität sieht anders aus

Zwar verweisen Befürworter des ESC gerne auf Tourismusgewinne und angebliche Millionenimpulse. Doch Studien aus Liverpool (ESC 2023) zeigen, dass die regionalen Mehreinnahmen von 54 bis 66 Millionen Pfund vor allem bei Hotels, Gastronomie und Eventfirmen landeten – nicht bei den Bürgern. Viele dieser Studien sind zudem von den Gastgeberstädten selbst beauftragt und schönen ihre Ergebnisse. Der tatsächliche Netto-Ertrag für Haushalte bleibt marginal.

Auch die volkswirtschaftliche Forschung warnt seit Jahren vor dem sogenannten „Winner’s Curse“: Wer den Zuschlag für ein Mega-Event erhält, neigt dazu, Kosten zu unterschätzen und Nutzen zu überschätzen. In vielen Fällen fließen große Teile der Ausgaben gar nicht in die lokale Wirtschaft zurück, sondern versickern über internationale Dienstleister und Importkosten – Ökonomen sprechen von „Leakage“.

Untersuchungen, die etwa für Stockholm 2016 langfristige Besucherzuwächse konstatieren, bleiben zudem wissenschaftlich umstritten – umso mehr gilt das für Wien, das ohnehin zu den meistbesuchten Städten Europas zählt.

Crowding-out: Wenn Wien für seine Bürger teurer wird

Großveranstaltungen wie der ESC treiben überdies Preise für Unterkunft, Gastronomie und Verkehr in die Höhe. Das mag den Finanzminister freuen, aber nicht die Bürger. Ihnen bleiben höhere Lebenshaltungskosten. In Liverpool schossen allein Hotelpreise um mehr als 1.000 Prozent in die Höhe, teilweise kostete eine Nacht über 5.000 Pfund. Die Stadtspitze sprach von „grotesk überhöhten Preisen“.

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Scheinbare „Werbewerte“: Reine PR-Illusion

Oft werden Fantasiezahlen über den angeblichen „Werbewert“ zitiert – die Rede ist von Hunderten Millionen Euro. Dabei basiert diese Berechnung auf der Methode „Advertising Value Equivalent (AVE)“, die selbst Branchenverbände wie AMEC als „ungültig“ einstufen. AVE verwechselt den theoretischen Preis einer Werbeschaltung mit tatsächlichem Nutzen. Mit anderen Worten: Es ist PR-Rechnung, kein Geldfluss.

Österreichs Lage: Kein Goldregen, sondern Kostendruck

Während Wien also auf ein globales Image-Event hofft, fährt der ORF gleichzeitig Sparprogramme. Der erwartete Gesamtaufwand von über 30 Millionen Euro steht damit im klaren Widerspruch zur wirtschaftlichen Realität. Vom versprochenen „Kulturerlebnis“ bleibt vor allem ein Fakt: Wien leistet sich ein Prestigeprojekt, das kaum Rendite bringt – und die Bürger zahlen dafür.