Für Österreich und seinen Staatshaushalt ist es eine Hiobsbotschaft: Das Scheitern der Koalitionsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP lässt die Gefahr eines EU-Defizitverfahrens wiederaufleben. Die zuvor geplanten Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung sind nun obsolet – mit potenziell gravierenden Folgen für Wirtschaft und Ansehen des Landes.

Finanzminister warnte zuvor vor Reputationsverlust

Ein Rückblick: Es war die erste Erfolgsmeldung der schwarz-blauen Verhandler: Die Europäische Union wird kein Defizitverfahren gegen Österreich einleiten. FPÖ und ÖVP hatten sich darauf geeinigt, wie sie das Defizit unter die Maastricht-Grenze von drei Prozent des BIP bringen. „Damit haben wir einen internationalen Reputationsverlust für den Standort Österreich verhindert und negative Auswirkungen auf die Finanzmärkte abgewendet“, erklärte hocherfreut Finanzminister Gunter Mayr. „Österreich bewahrt seine Budgetsouveränität.“

Der Finanzminister skizzierte ebenso den bevorstehenden Fahrplan: „Sobald die nächste Regierung ein neues Budget beschließt, wird die Europäische Kommission dann die konkrete Umsetzung der vorgelegten Maßnahmen überprüfen.“ Man bereite das schon vor, „damit die künftige Regierung ihre Arbeit sofort aufnehmen und die Budgetkonsolidierung starten kann“.

Am 13. Jänner verkündeten Stocker (l., ÖVP) und Kickl (r., FPÖ) die erste Erfolgsmeldung der blau-schwarzen Verhandler. Nun ist sie obsolet.APA/HELMUT FOHRINGER

Fiskalratspräsident Badelt: „EU könnte Defizitverfahren wieder aufnehmen“

Doch dazu wird es nicht kommen. Denn mit dem Scheitern der Verhandlungen ist die schwarz-blaue Einigung „hinfällig“, wie Christoph Badelt, Präsident des Fiskalrates, gegenüber Ö1 betont. „Jetzt ist es schwer vorherzusagen, was die EU-Kommission machen wird. Früher oder später wird sie das Defizitverfahren wieder ins Spiel bringen.“

Eventuell könne Brüssel noch einmal einen Aufschub gewähren. „Aber mit jeder Woche Verzögerung wird es schlimmer.“

Badelt: „Papier von FPÖ und ÖVP ist hinfällig“APA/GEORG HOCHMUTH

Das Land braucht dringend ein neues Budget

Damit nicht genug: Auch das Budget muss dringend saniert werden. Nur hat Österreich derzeit kein neues Budget. Wenn Österreich keinen glaubwürdigen Weg zur Budgetsanierung vorlegen kann, drohen dem Land auch wirtschaftlich schwerwiegende Konsequenzen bei Ratingagenturen und Zinsen, warnt der Ökonom.

Eigentlich wollten FPÖ und ÖVP die heimische Budgetmisere schnell beheben. Aus gutem Grund. Die Schulden sind enorm, die Wirtschaftslage schlecht und die Prognosen ebenfalls. Jeder weitere Tag der Verzögerung schadet.

In Kürze drohen Liquiditätsprobleme

Solange Österreich kein neues Budget hat, greift ein Automatismus, der jeden Monat das alte Budget fortschreibt. Allerdings darf der Staat in dieser Zeit maximal die Hälfte der Schulden aufnehmen, die er im Vorjahr machen durfte.

Badelt: „In der Praxis bedeutet das, dass der Staat wahrscheinlich schon im April, Mai, spätestens im Juni keine Schulden mehr machen darf. Das kann ihn in Liquiditätsprobleme bringen.“ Abhilfe könnte der Staat nur mit einem gesetzlichen Budgetprovisorium schaffen, das aber vom Parlament beschlossen werden müsste – „mit welcher Mehrheit auch immer“.

Politisches Patt gefährdet wirtschaftliche Stabilität

In der Praxis müsse ein solches Budget ausverhandelt werden. Das spricht laut Badelt gegen eine Expertenregierung. Es brauche dringend Weichenstellungen, keine Verwaltung: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass verantwortungsbewusste Parteien tatsächlich zulassen würden, dass der Staat kein Geld mehr aufnehmen darf und in Liquiditätsschwierigkeiten gerät.“

Doch je später eine Regierung im Amt sei, je später es ein reguläres Budget gebe, „desto schwieriger wird es, für das Jahr 2025 noch einen wirksamen Einsparungseffekt für das Defizit zu erzielen“. Das Sparpotenzial schrumpft.