Außenminister Schallenberg: Ein Irrglaube, dass Neutralität Sicherheit bedeutet
Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) sieht in der Neutralität Österreichs keine Garantie für Sicherheit. Er erwartet auch, dass in Russland das System Putin noch lange bleiben wird. Und er warnt davor, die Ukraine schneller in die EU aufzunehmen als andere Beitrittskandidaten.
Am Montag beraten die EU-Außenminister über den weiteren Umgang mit Russland. Im Vorfeld des Treffens sprach die deutsche Zeitung “Welt” mit dem österreichischen Außenminister Alexander Schallenberg (53). In dem Interview macht Schallenberg klare Aussagen zum Thema Neutralität: “In Österreich herrscht der Irrglaube, dass wir sicher sind, weil wir neutral sind.” Laut dem Außenminister bedeutet Neutralität vielmehr, dass man keine militärischen Allianzen eingeht.
Und Schallenberg weiter: “Man steht im Ernstfall allein da und muss sich selbst verteidigen können. Darum wird die Koalition aus ÖVP und Grünen künftig die Verteidigungsausgaben massiv erhöhen – auf ein Rekordniveau von 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.”
Er redete auch der Fortsetzung einer harten Gangart des Westens gegenüber Russland das Wort: “Wir müssen die Ukraine bei ihrem Verteidigungskampf unbedingt weiter militärisch, humanitär und wirtschaftlich unterstützen und die Sanktionen gegen Russland konsequent durchsetzen. Der Preis für Russlands Angriffskrieg muss so hochschnellen wie nur irgend möglich. Ziel ist, Russland und andere Staaten mit Kriegsabsichten derart abzuschrecken, dass sie künftig darauf verzichten, in neoimperialen Anwandlungen souveräne Staaten brutal anzugreifen. Das Gesetz des Dschungels darf nicht um sich greifen.”
"Das Verhältnis des Westens zu Russland wird noch lange gestört bleiben"
Ungeachtet dessen müsse der Westen weiterhin das Gespräch mit Moskau suchen. Schallenberg wörtlich: “Der Westen muss auch weiterhin mit Russland sprechen und sollte die internationalen Foren, wie die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und die Vereinten Nationen (UNO), nutzen, um unsere Standpunkte im direkten Austausch unverblümt klarzumachen.”
Was die Zukunft von Kreml-Chef Wladimir Putin anlangt, gibt er sich keinen Illusionen hin, dass dieser bald ersetzt werde, wie von vielen erhofft: “Ich gehe nicht davon aus, dass sich das politische System und die politische Führung in Russland bis zum Ende dieses Jahrzehnts substanziell verändern werden.”
Deshalb werde das Verhältnis des Westens zu Russland noch lange “gestört bleiben”. Schließlich fehle hierbei das wichtigste Kapital: nämlich Vertrauen. “Der Westen – und damit meine ich auch die Ukraine – wird sich künftig nicht darauf verlassen können, dass sich Russland wirklich an unterschriebene Verträge halten wird. Russland wird für sehr viele Jahre eine Bedrohung bleiben”, so Schallenberg.
Mit Blick auf einen künftigen EU-Beitritt der Ukraine, erklärte der Außenminister, dass dieser auf keinen Fall vor einem Beitritt der Westbalkan-Länder erfolgen dürfe. Schallenberg dazu: “Es wäre ein fatales Zeichen, wenn die Ukraine und Moldau auf der Überholspur vorbeifahren und die Staaten des Westbalkans auf dem Pannenstreifen stehen bleiben.”
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