Babler brüskiert Vorgänger: „Alle SPÖ-Mitglieder haben 20, 30 Jahre lang gelitten“
Er sei angetreten, um die Partei zu verändern, sagt SPÖ-Chef Andreas Babler im ORF-Report. Vieles werde unter ihm besser, denn schließlich: „Wir haben 20, 30 Jahre alle miteinander gelitten: Funktionäre, Mitglieder.“ Wow! Da traut sich einer viel zu – und verpasst so nebenbei gleich sechs Vorgängern eine schallende Ohrfeige.
Franz Vranitzky, Viktor Klima, Alfred Gusenbauer, Werner Faymann, Christian Kern, Pamela Rendi-Wagner – waren sie alle so furchtbar? Bescherten diese Parteichefs der Sozialdemokratie primär Leiden? Für Andreas Babler war es anscheinend so.
Was der SPÖ-Bundesparteivorsitzende am Montagabend im ORF-Report wie selbstverständlich in einem Interview ausplauderte, kann seine Vorgänger nicht kalt lassen. Passenderweise haben sie ihm beim Parteitag im November auch die kalte Schulter gezeigt: Keiner ist erschienen, als Babler mit 88,76 Prozent der Stimmen gewählt worden ist.
„Es gibt Reibereien, wenn man den Kurs ändern will“
ORF-Moderatorin Susanne Schnabl hielt Babler zunächst vor, vieles nicht erreicht zu haben, etwa die Partei zu einen. Das ließ der SPÖ-Chef nicht auf sich sitzen. Ihm gehe es darum „zu zeigen, warum ich angetreten bin: die Partei auch zu verändern.“ Dann geriet er in Fahrt: „Es gibt Reibereien, wenn man den Kurs ändern will. Dafür bin ich angetreten. Wir haben 20, 30 Jahre alle miteinander gelitten. Funktionäre, Mitglieder.“
Für einen sozialdemokratischen Bundesparteivorsitzenden ist das eigentlich eine ungeheuerliche Aussage.
Natürlich: Es gibt SPÖ-Mitglieder, die so empfinden. Deshalb dürfte der Satz auch ehrlich und höchst authentisch gewesen sein. Und ja: Wenn die heimischen Sozialdemokraten an ihre vergangenen Parteichefs zurückdenken, geraten die meisten nur beim Namen Bruno Kreisky ins Schwärmen.
Babler – der Retter nach 30 Jahren Leidensweg?
Doch kann man als neuer SPÖ-Vorsitzender drei Jahrzehnte Sozialdemokratie wirklich so leicht mit einem Handstreich als einzigen Leidensweg abtun? Das ist ein schwerer Affront gegenüber unzähligen Genossen, die in dieser Zeit Verantwortung übernahmen.
Und immerhin: Unter Vranitzky trat Österreich der EU bei – ob zu Bablers Freude oder Unmut, das sei dahin gestellt. Nach dem Ende der Regierung Schüssel II folgte ein weiteres Jahrzehnt mit drei sozialdemokratischen Kanzlern (2007 bis 2017). Für Babler waren das offenbar durchwegs triste Jahre, und aus denen er – als erster Parteichef – die SPÖ nun befreien will.
„Diese Partei wird in einigen Jahren noch ganz anders aussehen“
Angeblich habe sich in den vergangenen Monaten bereits Wesentliches unter ihm geändert, behauptet Babler. „Zwei, drei Vorgänger von mir sind gescheitert daran“, frohlockt der neue Parteichef. „Keiner hat uns zugetraut, die Demokratisierung der Statuten in der Vorsitzfrage zu erledigen.“ Dann folgt ein weiterer, höchst bemerkenswerter und sehr selbstbewusster Satz: „Aber ich verspreche Ihnen: Diese Partei wird in einigen Jahren noch ganz anders aussehen.“ Da denkt einer weit voraus, felsenfest überzeugt von seiner eigenen Bedeutung.
Warten wir ab. Erst kommt einmal der Wahlkampf.
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