Blitzartig 800.000 Euro für Sängerknaben - für viele Steuerzahler nicht ok
Die superschnelle Steuergeld-Vergabe an die Wiener Sängerknaben durch den Bundeskanzler sorgt nicht nur für positive Reaktionen: Im Web kritisieren bereits viele Österreicher diese Blitz-Hilfe mit 800.000 Euro für einen privaten Verein.
Mehr als 550 Kommentare zum Bericht der ZiB über die Sängerknaben-Rettung auf Instagram – fast alle sind allerdings negativ. Dazu kommen noch hunderte kritische Leser-Postings in den Community-Foren des eXXpress und auch im Standard zu dieser Blitz-Vergabe an Steuergeld durch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Samstagvormittag.
Dass eine gute Sache – die Rettung der in finanzielle Schwierigkeiten geschlitterten Wiener Sängerknaben – für derart viel Kritik sorgen kann, überrascht dann doch: Immerhin seien die Buben ja “Kulturbotschafter” und weltweit bekannt.
Hunderte österreichische Steuerzahler haben an der blitzschnellen Vergabe von 800.000 Euro Steuergeld allerdings doch einiges auszusetzen: Erstens fehlt vielen eine grundsätzliche umfassende Prüfung, warum denn den singenden Buben so viel Geld fehle. Zweitens kritisieren viele User auf den Social-media-Plattformen, dass ein privater Verein – also auch die Sängerknaben – eben um private Sponsoren ansuchen sollte. Es könne nicht Aufgabe des Steuerzahlers sein, diese Ausgaben der Wiener Sängerknaben einfach auszugleichen. Und drittens vermuten manche Kritiker, dass es bei der ganzen superschnellen Hilfsaktion auch um eine Image-Politur der Bundesregierung gehen sollte.
So fällt natürlich bei der veröffentlichten Berichterstattung von Krone und ORF auf, dass diese Zusage von 800.000 Euro an die Sängerknaben auffallend flott ging – noch dazu an einem Wochenende in den Weihnachtsferien (jeder gelernte Österreicher weiß, wie schnell da Politiker und Spitzenbeamte erreichbar sind).
Dazu der Zeitverlauf zur großen Rettungs-Story:
24.12. bis 29.12.: Irgendwann in diesen fünf Tagen fällt dem Präsidenten der Sängerknaben ein, dass er von seinem (plötzlich aufgetauchten?) 800.000-Euro-Finanzloch der Krone erzählen könnte.
30.12., 06.00 Uhr: Die Krone berichtet online “Sängerknaben vor der Pleite!”
30.12., 12.53 Uhr: Die Krone bringt online “Die Sängerknaben werden selbstverständlich gerettet” – und dazu: “Das ging aber flott!” Karl Nehammer hatte also nicht nur sofort am Samstagmorgen die Causa Sängerknaben persönlich übernommen und dann gleich deren Bilanzen studiert, sondern dies auch noch an einem Ferien-Wochenende mit Bildungsminister Martin Polaschek und Kultur-Staatssekretärin Andrea Mayer abgeklärt, damit sie die Summe von 800.000 Euro aus ihren Ressorts bereitstellen. Österreichs Amtsschimmel ist offenbar an Samstagvormittagen zu Höchstleistungen fähig – binnen 6 Stunden und 53 Minuten war sogar auch noch ein ganz spontaner Gesprächstermin mit dem Präsidenten der Sängerknaben im Kanzleramt möglich, sogar die Kommunikationsabteilung Nehammer machte einen Wochenenddienst und verschickte davon Fotos.
30.12., 13.13 Uhr: Auch die Austria Presse Agentur (APA) berichtet jetzt von der Rettung der Sängerknaben und dem Treffen im Kanzleramt.
30.12., 14.21 Uhr: Die Wiener ÖVP lobt die Rettungsaktion: “Auf Kanzler Nehammer ist eben Verlass.”
Emotionale Debatten über die Sofort-Hilfe für die Wiener Sängerknaben
Auf den Social-media-Plattformen kommt die ganze Rettungs-Story jetzt nicht so gut an, wie sich das manche vielleicht erhofft haben. So schreibt einer der Follower der ZiB auf Instagram: “Die Mehrheit der Bevölkerung weiß nicht, wie sie Miete, Lebensmittel und Energie- und Wärmekosten zahlen sollen, und die Regierung setzt keine vernünftigen Maßnahmen dagegen. Den Sängerknaben fehlt Geld – und die Regierung ist sofort zur Stelle. Prioritäten eben.” Eine Pädagogin schreibt dazu: “Ich bin Lehrerin. Meine Schule kann sich kaum die Heizkosten leisten. Diverse Sanitäranlagen sind kaum mehr zu benutzen, aber es ist kein Geld für die Sanierung drinnen. In der Nachmittagsbetreuung nagt man am Minimum und muss Eltern fragen, ob sie womöglich Stifte und spiele spenden können
So geht es nicht nur meiner Schule, sondern vielen Schulen (besonders seit der Energie-Krise). Aber 800.000 € für die Sängerknaben sind drinnen?!”
Es gibt auf Instagram aber auch Verteidiger der Hilfs-Aktion für die Sängerknaben: “Es ist traurig das hier gegen eine traditionelle Wiener Kultur gehetzt wird, nur weil es mal wieder um Geld geht, da warfen sie gleich alle irre. Wenn man den Musikverein oder die Wiener Philharmoniker abschafft, wär’s ja a wurscht, oder??? Die Tourismus-Leistung der Sänger ist vermutlich höher als 800.000 Euro, einmal abgesehen davon das Tradition und Kulturerbe in Österreich immer wichtig waren.”
Und ein anderer User kommentierte: “Vom Verein wird übrigens auch eine Schule mit mehr als 100 Kindern betrieben. Neben der Tätigkeit als internationales Aushängeschild. Die Chöre sind einen großen Teil des Jahres in der ganzen Welt unterwegs und kurbeln den Tourismus an.”
Kommentare