Brigadier Eder: Bei Eroberung Kiews ist Häuserkampf unvermeidbar
Der Zeitplan der Russen ist zwar nicht bekannt, doch eines ist sicher: Zu Kriegsbeginn haben die Truppen ein zentrales Ziel nicht erreicht, nämlich die Eroberung des Flugplatzes bei Kiew, sagt der Militärstratege Philipp Eder. Damit hat Russland viel Zeit verloren mit weitreichenden Folgen.
Man kenne zwar nicht den Zeitplan der russischen Armee, doch ein zentrales Ziel ihres bisherigen Kriegs wurden eindeutig nicht erreicht: die Eroberung des Flugplatzes nordöstlich von Kiew. Das sagt Brigadier Philipp Eder vom österreichischen Bundesheer. Er ist Leiter der Abteilung Militärstrategie im Verteidigungsministerium. Und noch etwas sei verblüffend: Russland hat bis heute nicht die Lufthoheit über die Ukraine. Eines sei im Falle einer Eroberung Kiews mittlerweile unvermeidlich: ein brutaler Häuserkampf.
Russland will Kiew einnehmen und ukrainische Truppen im Osten vernichten
Die Eroberung des Flugplatzes gleich zu Kriegsbeginn wäre “ein entscheidender Schlag gegen die Führung in Kiew gewesen”, sagt Eder gegenüber Ö1. “Das hat die ukrainische Armee vereitelt. Das war ein großer Erfolg.”
Ein wichtiges Kriegsziel der russischen Truppen sei zurzeit die Verbindung zwischen den beiden Rebellenregionen herzustellen, vor allem wegen der Versorgung. Langfristig verfolge Moskau zwei Ziele: die Einnahme Kiews und die Einkesselung und Vernichtung der ukrainischen Truppen im Osten.
"Sehr, sehr überraschend": Russland hat noch nicht die Lufthoheit
Irritierenderweise behauptet die Russische Föderation permanent, bereits die Lufthoheit erlangt zu haben – doch das hat sie nicht. Für den Militärstrategen ist das “sehr, sehr überraschend”. Nach wie können die Russen nicht verhindern, dass ukrainische Flugzeuge weiterhin aufsteigen.
“Ich habe keine Erklärung dafür”, sagt Eder. “Üblicherweise sorgt man dafür, dass Lufthoheit herrscht, bevor Bodentruppen einmarschieren. Wer die Luftherrschaft hat, kann auch verhindern, dass die gegnerischen Bodentruppen weitermarschieren.” Dies könnte auch ein Grund für das Abwarten der russischen Truppen im Osten sein.
Ukraine will Zeit gewinnen, Moskau will Tatsachen schaffen
Über kurz oder lang rollt auf jeden Fall eine große Militärmaschine auf Kiew zu. Die ukrainischen Streitkräfte versuchten vor allem so viel Zeit zu gewinnen um den Druck auf Russland so sehr zu erhöhen, “dass Russland eine Strategieänderung herbeiführen muss. Das aber nicht sehr wahrscheinlich. Russland will schnell Tatsachen schaffen, die Ukrainer wollen alles in die Länge ziehen.”
Die Verzögerung ziele vor allem auf die russische Bevölkerung ab, auch einige Sanktionen wollen vor allem das Umfeld von Putin treffen.
Russland kann Häuserkampf nicht mehr verhindern
Auf die Frage, wie schnell es den Russen nun gelingen müsste Kiew einzunehmen, um nicht in einen Häuserkampf zu schlittern, winkt Brigadier Philipp Eder ab: “Dafür ist es zu spät. Die ukrainische Armee hatte bereits fünf Tage Zeit sich vorzubereiten. Russen haben bereits zu viel Zeit verloren, die Verteidiger konnten sich härten.” Entscheidend – vor allem für die Kampfmoral der Soldaten – sei nun auch die Macht der Bilder.
Auch Waffenlieferungen hätten einen sehr hohen symbolischen Charakter. “Sie sind wichtig für den Soldaten im Felde und sind gleichzeitig ein Symbol der Geschlossenheit der EU.” Europa habe viele Möglichkeiten, solche Waffen verdeckt einzuliefern. Am Ende helfen solche Lieferungen aber nur jenen, die ausgebildet sind. Und sie unterstützen auch die Ukraine im Falle eines bevorstehenden Guerillakriegs.
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