
Das „Grundlinien“-Papier der ÖVP: Darum geht es jetzt
Die Ampelgespräche unter Ex-ÖVP-Chef Karl Nehammer schlitterten ins Chaos, weil man sich zu Beginn nicht auf eine Budgetsanierung geeinigt hatte. Dasselbe droht nun FPÖ und ÖVP, nur aus anderen Gründen: Offensichtlich hat man sich zu Beginn nicht auf Grundsätzliches geeinigt.

Die Verhandlungen muten mittlerweile chaotisch an. Nun hat die Volkspartei den Freiheitlichen ein Grundlagenpapier des Regierens („Gemeinsame Grundlinien außer Streit stellen“) vorgelegt: Auf dieser gemeinsamen Basis müsse man regieren. Davon könne man nicht abrücken.
Das stellen die ÖVP-Verhandler gleich zu Beginn des Schreibens klar, weil es sich, wie sie sagen, nicht um neue oder besondere Positionen handle, die man dem Koalitionspartner da aufzwinge, sondern um elementare Grundlinien, die „bereits in den bisherigen ÖVP-FPÖ-Koalitionen (2000 und 2017) in den Regierungsprogrammen adressiert“ wurden. Sie seien für „jede österreichische Bundesregierung – unabhängig von Partei und Ideologie – wesentlich“. Es gehe um nichts weniger als „den Erhalt unserer liberalen Demokratie und gesellschaftlichen Stabilität“.
Es geht um Europa, die freie Welt, Extremismus, Asyl und Sicherheit
Das Papier nennt vier Bereiche:
„Klare proeuropäische Positionierung und internationale Zusammenarbeit als Grundlage der Bundesregierung“, zweitens „Österreich als verlässlicher Partner der freien Welt“, „Abgrenzung gegen politische und religiöse Extreme“ und viertens „Stopp der illegalen Migration, Asyl und Sicherheit“.
In den letzten beiden Punkten müssten sich die beiden Parteien eigentlich einig sein – vor allem im letzten – sollte man meinen. Dem ist aber nicht so, wie das geleakte Protokoll zeigt. Es geht um völkerrechtliche Verträge und um Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs.
Asyl-Stopp – aber wie?
Zu Asyl und Sicherheit hält die ÖVP fest: Um einer Überforderung der nationalen Systeme zu begegnen, komme die EU-Notfallklausel zur Anwendung. Das bedeutet: vorübergehend werden „keine neuen Asylanträge angenommen und der Familiennachzug ausgesetzt“. Somit will die Volkspartei ebenfalls einen Asyl-Stopp, allerdings ohne dabei aus EU-Verträgen auszutreten und Beschlüsse der EU-Gerichtshöfe einfach zu ignorieren, was weitreichende Konsequenzen für Österreich hätte, über den Asyl-Bereich hinaus. Tatsächlich könnte das den Öxit einleiten, was auch wirschaftliche Konsequenzen – Stichwort Export – hätte.
EU-Verträge und Rechtssprechung der Gerichtshöfe bleiben grundlegend
Doch es gibt auch eine politische Komponente: Der Punkt eines anderen Abschnitts („Österreich als verlässlicher Partner der freien Welt“) erwähnt die „Rechtsordnung“, zu der die österreichische Verfassung und die Gesetze, aber auch die EMRK, die EU-Verträge sowie die Rechtsprechung der Gerichtshöfe wie der VfGH, EGMR und EuGH gehören. Sprich: Man will weiterhin Partner der westlichen, europäischen Welt sein.
Verteidigung des Luftraums bleibt Thema
Bei der Sicherheit nennt die Volkspartei neuerlich „die international uneingeschränkte Zusammenarbeit der Geheim- und Nachrichtendienste“, und überdies: „Zur umfassenden Sicherheit gehört auch die neutralitätskonforme Verteidigung des Luftraums gegen Raketen und Drohnen (Sky-Shield).“ Dieser Punkt ist ein Zankapfel und tatsächlich ein zentraler Punkt, viel wichtiger für den Erfolg der Verhandlungen als etwa die Bankenabgabe.
Abgrenzung zu jeglichem Extremismus
Was die Haltung gegen Extremismus betrifft, so unterstreicht das Papier: „Zum Schutz unserer Demokratie lehnen wir jede Form von Extremismus ab, sei es Linksextremismus, Rechtsextremismus oder religiös motivierter Extremismus (z.B. politischer Islam), und werden geeignete Maßnahmen dagegen umsetzen.“ Daher wolle man sich „sowohl national als auch international für den Schutz von Minderheiten (z.B.: Verfolgung von Christen)“ einsetzen, und „keine öffentlichen Gelder für extremistische Organisationen und Medien, etwa bei Gewaltaufrufen“ vergeben.
Stabile Beziehungen in Europa
Im Zusammenhang mit der proeuropäischen Ausrichtung ruft die Volkspartei in Erinnerung: „Stabile internationale Beziehungen sind für unsere Wirtschaft, unsere Arbeitsplätze und unseren Wohlstand unerlässlich und sollen gestärkt werden“. Entscheidend sei, in Europa „mit einer Stimme“ zu sprechen, zuvor die Positionen Österreichs innerhalb der Bundesregierung zu koordinieren, und erst dann in den EU-Gremien umzusetzen. Gegen Einflussnahme von außen – etwa durch Spionage und Fake News – müsse man sich schützen.
Sofern Österreich ein „verlässlicher Partner der freien Welt“ bleiben will, müsse es überdies „den Russischen Angriffskrieg“ verurteilen und auch die Bedrohung, die Russland zurzeit darstellt, anerkennen. Überdies müsse die Rechtsstaatlichkeit gewahrt bleiben, damit „nicht das Recht des Stärkeren“ gilt.
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