Das vereitelte Abkommen zwischen der Ukraine und Russland: Das stand drin!
Kiew und Moskau standen sechs Wochen nach der Ukraine-Invasion kurz vor einer Einigung. Dann brach die Ukraine die Verhandlungen ab, unter anderem weil sie der britische Premier Boris Johnson dazu gedrängt haben soll. Das Wall Street Journal präsentiert nun erstmals die wichtigsten Details des vereitelten Deals.
Im April 2022 standen Kiew und Moskau kurz vor einer Einigung. Die Verhandlungen in Istanbul sollen vielversprechend verlaufen sein, berichten ukrainische, türkische, israelische, amerikanische und russische Quellen. Vor allem ein Kiew-Besuch Boris Johnsons habe die Friedensbemühungen beendet, heißt es – der eXXpress berichtete. Der damalige britische Premier habe Wolodymyr Selenskyj geraten, besser weiter zu kämpfen. Auch schockierenden Bilder aus Bucha sollen ein Umdenken in Kiew ausgelöst haben.
Keine Teilnahme an Militärblöcken, keine Aufrüstung mit westlicher Hilfe
Das amerikanische Wall Street Journal behauptet nun, im Besitz eines geheimen Dokuments zu sein, das die Details des gescheiterten Friedensabkommens enthält. Es handelt sich um einen 17-seitigen Entwurf, auf den sich die Unterhändler beider Seiten damals geeinigt hatten. Bisher wurde nur über ihn berichtet, doch er wurde noch nie veröffentlich. Das Wall Street Journal hat nun erstmals die wichtigsten Abschnitte und Punkte verraten.
Das Dokument ist auf den 15. April 2022 datiert. Ihm zufolge soll die Ukraine zu einem „dauerhaft neutralen Staat“ werden, „der nicht an Militärblöcken teilnimmt“. Überdies dürfe die Ukraine ihr Militär nicht mit westlicher Unterstützung aufrüsten, die Krim müsste unter russischer Kontrolle bleiben.
EU-Mitgliedschaft erlaubt, aber keine ausländischen Waffen
Dem Wall Street Journal zufolge befinden sich einige weitreichende Zugeständnisse in dem Deal, die aber möglicherweise auch in ein zukünftiges Abkommen Eingang finden werden. Zurzeit befindet sich die ukrainische Armee nämlich in der Defensive und wird von der russischen Armee zurückgedrängt. Unter diesen Bedingungen könnten Kiew noch mehr Kompromisse abverlangt werden.
Weiters steht im Bericht der US-Zeitung: „Der Vertragsentwurf sieht vor, dass die Ukraine zwar die Mitgliedschaft in der Europäischen Union anstreben darf, aber nicht in Militärbündnisse wie die NATO eintreten darf. Keine ausländischen Waffen wären auf ukrainischem Boden erlaubt.“
Verschiedene Vorstellungen über die Größe der ukrainischen Armee
Auch betreffend die Größe der ukrainischen Armee hatten die Russen konkrete Wünsche: „Das ukrainische Militär würde auf eine bestimmte Größe reduziert werden“. Sogar dauerhafte Beschränkungen der Truppenstärke sollten eingeführt werden: „Russland wollte alles begrenzen, von der Anzahl der Truppen und Panzer bis hin zur maximalen Reichweite der ukrainischen Raketen.“
Die ukrainischen Streitkräfte sollten gemäß den russischen Wünschen auf 85.000 Soldaten, 342 Panzer und 519 Artilleriegeschütze beschränkt werden. Hier war man sich offenbar noch nicht einig. Die ukrainischen Unterhändler wollten 250.000 Soldaten, 800 Panzer und 1900 Artilleriegeschütze, heißt es in dem Dokument. Russland wollte, dass die Reichweite der ukrainischen Raketen auf 40 Kilometer begrenzt wird. Unter das Verbot ausländischer Waffen wären auch „Raketenwaffen jeglicher Art, Streitkräfte und Formationen“ gefallen.
Annektierte Gebiete in Ostukraine werden nicht erwähnt
Ein weiterer Punkt betraf die russische Sprache: Sie sollte in den ukrainischen Ministerien und Gerichten einen gleichberechtigten Status. Bekanntlich versucht die Regierung Selenskyj seit Beginn der Invasion die russische Sprache in der Öffentlichkeit stark einzuschränken und zu unterdrücken.
Über die Zukunft der beiden von Russland ausgerufenen „Volksrepubliken“ Luhansk und Donezk, die von Russland 2014 illegal annektiert worden sind, stand im Entwurf nichts. Wie bereits andere Beamte und Personen aus dem Umfeld von Selenskyj in den vergangenen zwei Jahren erzählt haben, sollten Putin und Selenskyj in einem persönlichen Gespräch den Status dieser ostukrainischen Gebiete klären. Immerhin geht es hier um Fragen des Verfassungsrechts.
Ausländische Mächte sollten Einhaltung des Vertrags garantieren
Ausländische Mächte sollten die Einhaltung des Vertrags garantieren. Genannt werden die USA, Großbritannien, China, Frankreich und Russland. Diese Länder wären auch verpflichtet gewesen, die Neutralität der Ukraine zu verteidigen, falls der Vertrag verletzt würde. Solange der Vertrag gilt, wären die Garantiegeber auch verpflichtet gewesen, „internationale Verträge und Vereinbarungen zu kündigen, die mit der ständigen Neutralität der Ukraine unvereinbar sind“, einschließlich aller Zusagen für bilaterale Militärhilfe. Die internationalen Sicherheitsgarantien würden nicht für die Krim und Sewastopol gelten.
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