Die Staatsaffäre: Wer muss noch vor Geheimdienst-Leaks zittern?
Der Akt der Justiz hat 1000 Seiten – voll mit brisanten Chats. Sie liefern den Stoff für eine Staatsaffäre: Ein Ex-Verfassungsschützer soll Politiker mit streng geheimen Infos versorgt haben – jetzt müssen viele Politpromis vor weiteren Leaks zittern.
Hans-Jörg Jenewein, ein bekannter Player der FPÖ, ist bereits geoutet. Ebenso Helmut Brandstätter, der NEOS-Abgeordnete und Ex-Kurier-Chefredakteur. Sie waren in engem Kontakt mit einem Mann, dessen Chats vermutlich noch weitere Österreicher in gröbere Schwierigkeiten bringen können: Egisto O. war Verfassungsschützer, ein österreichischer 007 ohne Lizenz zum Töten. O. arbeite in Rom, dann in Istanbul. Der südländisch aussehende Agent mit viel Text wurde dann aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT, jetzt DSN) vom damaligen Leiter Peter Gridling abserviert: Er hätte den Russen Geheimnisse gesteckt, wurde ihm jedenfalls vorgeworfen. O. wurde von den Innenministern auf einem Bürojob “geparkt”, so lange das Ermittlungsverfahren laufen sollte – mittlerweile sind das mehr als zehn Jahre.
Die Laune des einst eleganten Agenten O. hat sich mit den Jahren nicht gebessert, vermutlich könnte das ein Grund sein, warum jetzt die als “BMI-Chats” benannten SMS-Nachrichten von bekannten ÖVP-Politikern und deren Entourage aufgetaucht sind. Die Echtheit dieser sieben Jahre alten Textnachrichten kann ungefähr so exakt überprüft werden wie die Eckdaten im Lebenslauf des mutmaßlichen Überbringers.
Mit den Chats bereits drei Promis als Kontaktleute von O. geoutet
Jetzt hat die “Presse”-Journalistin Anna Thalhammer den Akt über O. und die darin enthaltenen Vorwürfe der Justiz, plus sämtliche Namen der Verbindungsleute des Geheimdienst-Profis in der Politik und auch deren Anliegen zugespielt bekommen. Es ist eine Staatsaffäre, die vom ORF seltsamerweise nicht wirklich groß gebracht wird.
Bisher flogen bereits der FPÖ-Politiker Hans-Jörg Jenewein und der NEOS-Politiker Helmut Brandstätter auf. Brandstätter, bekannt als selbsternannter Saubermann, bot O. sogar an, einen Tweet für dessen Anliegen abzusetzen – und sogar für dessen Agenda eine parlamentarische Anfrage einzubringen.
Jenewein hat sogar noch mehr Probleme als der NEOS-Abgeordnete und Ex-Kurier-Chefredakteur: So steht mit den aufgetauchten Chats im Raum, dass er – vielleicht sogar mit Geld aus FPÖ-nahen Quellen – für das Insiderwissen des Ex-BVT-Profis bezahlt haben könnte. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Und nun zeigen weitere bisher geheime Chats, dass der FPÖ-nahe Ex-Generalsekretär im Außenamt, Johannes Peterlik, über O. und dessen Beziehungen im BVT zu einem Waffenpass gekommen sein soll – das berichtet “Die Presse” in ihrer Dienstagausgabe. Peterlik hätte auch “um andere zweifelhafte Gefallen gebeten”. Peterlik steht bekanntlich im Verdacht, dass die Nervengiftformel Nowitschok über ihn an den getürmten Wirecard-Manager Jan Marsalek gekommen sein soll.
O. hatte auch zwei Treffen mit dem eXXpress-Chefredakteur
Doch die beiden jetzt aufgeflogenen Politiker und der Außenamt-Generalsekretär dürften nicht die einzigen Promis sein, die mit dem Geheimdienst-Profi O. eng verbandelt waren: Auch mit SPÖ-Abgeordneten soll O. gechattet haben – und der Alpen-007 hat auch den intensiven Kontakt zu vielen Journalisten gesucht, die seine Interessen unterstützen sollten.
Auch der jetzige eXXpress-Chefredakteur Richard Schmitt erinnert sich an zwei Treffen mit O.: “Der Ex-BVT-Mitarbeiter O. war schwer enttäuscht: Die Vorgesetzten im Verfassungsschutz und mehrere ÖVP-Innenminister hätten ihm übel mitgespielt, sagte er sehr emotional. Die Vorwürfe, dass er den Russen Geheimnisse verraten hätte, seien alle erfunden.” O. hatte tatsächlich ein enormes Ausmaß an Insiderwissen zum österreichischen Geheimdienst, fast alle seiner Angaben waren nicht überprüfbar.
Der eXXpress-Chefredakteur sieht als Ergebnis dieser Gespräche: “Wenn die Chats von O. mit weiteren Politikern auftauchen, wird das für die sicher nicht heiter. Der Mann sprach offen über seine Infos, über seine Verbindungen, über seine Tätigkeit. Vermutlich schrieb er das auch in SMS.” Wenn diese Kommunikation dem Staatsanwalt vorliegt und diese dann auch noch geleakt wird, ufert die Staatsaffäre noch weiter aus.
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