Abtreibung ist mittlerweile in aller Munde, doch ein Aspekt gilt als Tabu: Das Bereuen eines Schwangerschaftsabbruchs. „In der öffentlichen Diskussion wird darüber nicht gesprochen, obwohl es auch hier um Frauenrechte geht. Der Druck zur Abtreibung ist erschreckend hoch, das Leiden danach wird völlig tabuisiert. Das ist ein unhaltbarer Zustand. Wir stehen hier, weil die Wahrheit zumutbar ist”, sagt Petra Plonner, Vorsitzende des Vereins #fairändern und selbst Betroffene.

Am Sonntag ist Muttertag. Für manche Frauen ist der elfte Mai jedoch ein schmerzhafter Tag, weil er sie an ihre Abtreibung erinnert. Diese Erfahrung teilen an die dreißig Frauen, die sich bei der Initiative #KeinEinzelfall engagieren. Das Projekt möchte Frauen zu Wort kommen lassen, die ihre Abtreibung bereuen und „ihre Geschichte mitteilen wollen“, wie auf der Website von #KeinEinzelfall zu lesen ist.

Flashmob vor dem Parlament der neuen Initiative.ZVG/Tamara Todorovic

Als Auftakt trafen sich über 30 Frauen vor dem österreichischen Parlament für einen Flashmob unter dem Motto „Zeit für mehr Ehrlichkeit“. Die aus der Bürgerbewegung „Fairändern“ kommende Fraueninitiative lässt von Abtreibung Betroffene erstmals öffentlich zu Wort kommen und versteht sich als Sprachrohr für ein Tabuthema: Wie haben Frauen ihre Abtreibung(en) erlebt? Unter welchem Druck standen sie davor? Wie geht es ihnen danach?

Umfrage: Jede zweite Betroffene steht unter Druck

Laut einer repräsentativen Umfrage des IMAS-Instituts steht mindestens jede zweite von Schwangerschaftsabbruch betroffene Frau unter starkem oder sehr starkem Druck Richtung Abtreibung.

Frage der repräsentativen IMAS-StudieScreenshot / fairändern

Petra Plonner, Vorsitzende des Vereins #fairändern und selbst Betroffene sagt: „In der öffentlichen Diskussion wird darüber nicht gesprochen, obwohl es auch hier um Frauenrechte geht. Der Druck zur Abtreibung ist erschreckend hoch, das Leiden danach wird völlig tabuisiert. Das ist ein unhaltbarer Zustand. Wir stehen hier, weil die Wahrheit zumutbar ist.”

Petra Plonner, Rita Dullinger und Andrea T. haben in jungen Jahren abgetrieben – und kämpften jahre- und jahrzehntelang mit den psychischen Folgen. Sie bereuen ihre Schwangerschaftsabbrüche, die sie, laut eigener Aussagen, nicht freiwillig durchführen ließen, sondern aufgrund „innerer sowie äußerer Zwänge“.

Tabu-Thema: „Niemand sprach darüber“

Plonner wurde als Teenager ungeplant schwanger und war sich unsicher, ob sie ihr Kind zur Welt bringen wolle. Sie habe sich damals mit der Entscheidung „allein gelassen“ gefühlt, erzählt sie in einem YouTube-Video. Plonner verheimlichte ihre Schwangerschaft und entschied sich schlussendlich für einer Abtreibung. Direkt nach dem Eingriff habe sie gewusst: „Mein Leben wird nicht so weitergehen wie geplant“. Plonner sei damals nicht religiös gewesen, und trotzdem plagten sie Gedanken an ihr Kind, das niemals das Licht der Welt erblicken durfte. Sie versuchte, die Abtreibung zu verdrängen, aber es gelang nicht.

Die Vorsitzende von #fairändern hatte das Gefühl, die Einzige zu sein, der es mit der Abtreibung schlecht ging. „Niemand sprach darüber“, erzählt sie. Erst als sie viele Jahre später mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit ging, meldeten sich nach und nach zahlreiche Frauen, aber auch Männer, die unter einer Abtreibung leiden, aber bisher geschwiegen hatten.

Petra Plonner, Vorsitzende des Vereins #fairändern, Andrea T. und Rita Dullinger sprechen offen über ihre Abtreibungen.ZVG/fairändern

Mutter und Umfeld drängten zur Abtreibung

Andrea T. wurde mit 17 und 19 Jahren ungewollt schwanger. Sie wollte das Baby behalten, aber ihre Mutter und ihr Umfeld drängten sie zu Abtreibungen. „Du bist zu jung, du verbaust dir dein Leben“, hieß es. Andrea hatte jahrelang mit den psychischen Folgen zu kämpfen: „Eine Abtreibung hinterlässt mehr als nur körperliche Narben. Sie hinterlässt tiefe seelische Wunden.“ Sie weist eindringlich auf die Notwendigkeit besserer Unterstützung für schwangere Frauen in Krisensituationen hin. Keine Frau in Österreich solle sich zu diesem einschneidenden Schritt gezwungen fühlen.

Das Projekt, das sich durch Kleinspenden finanziert, versteht sich als Anlaufstelle für Frauen, die unter einem Abtreibungstrauma leiden, und ruft dazu auf, Erfahrungen zu teilen, um gesellschaftliche Veränderungen anzustoßen.

Ein Ergebnis der IMAS-Umfrage.ZVG/fairändern

Kernforderungen der Initiativen #KeinEinzelfall sowie #fairändern sind unter anderem eine umfassende Beratung und niederschwellige Unterstützungssysteme bei ungeplanter Schwangerschaft. Diese Anliegen entsprechen den Wünschen der österreichischen Bevölkerung. Laut der IMAS-Umfrage wünschen sich mehr als drei Viertel der österreichischen Bevölkerung (77 Prozent) eine Politik, die sich dafür einsetzt, dass auch bei einer ungeplanten Schwangerschaft die Frau das Kind zur Welt bringen kann.