In England wird eine entscheidende Änderung des Abtreibungsrechts umgesetzt: Frauen, die eine Schwangerschaft beenden, sollen künftig in keinem Fall mehr strafrechtlich verfolgt werden – auch nicht bei späten Abbrüchen nach der 24. Woche. Möglich gemacht wurde das durch eine parteiübergreifende Abstimmung im Parlament. 379 Abgeordnete stimmten dafür, 137 dagegen.

Reaktion auf drastische Strafverfahren

Anlass für die Reform war die steigende Zahl von Ermittlungsverfahren gegen Frauen, die spät abgetrieben haben – oft in belastenden Ausnahmesituationen. 2022 wurden in England und Wales 13 solcher Fälle vor Gericht gebracht. Die Labour-Abgeordnete Tonia Antoniazzi schildert tragische Einzelfälle: So sei etwa eine Frau zu zwei Jahren Haft verurteilt worden, weil sie unter Druck ihres gewalttätigen Partners spät abgetrieben hatte – der Partner hingegen blieb straffrei.

Bislang galt in Großbritannien: Abtreibungen sind offiziell illegal, bleiben aber bis zur 24. Schwangerschaftswoche straffrei, wenn zwei Ärzte zustimmen. Seit einigen Jahren können Schwangere bis zur zehnten Woche medikamentöse Abbrüche sogar zuhause vornehmen. Doch der Missbrauch dieser Pillen in späteren Schwangerschaftsphasen sorgte für Unsicherheit – und führte immer wieder zu Verfahren.

Konservative Kritik – doch Mehrheit für Reform

Die Lockerung stieß bei konservativen Kräften auf heftigen Widerstand. Kritiker warnen vor einer „Aushöhlung des Lebensschutzes“. Dennoch setzten sich die Reformbefürworter durch – mit dem Argument, dass das Strafrecht ungeeignet sei, um mit individuellen Notlagen umzugehen. Die Polizei, so der Vorwurf, sei zuletzt viel zu hart gegen Betroffene vorgegangen.

Was gilt in Schottland und Irland?

In Schottland bleibt die bisherige Fristenregelung bestehen – dort wäre ein ähnlicher Schritt Sache des Regionalparlaments in Edinburgh. In Nordirland liegt die Grenze für straffreie Abbrüche bei zwölf Wochen. Auch in der Republik Irland gelten die deutlich strengeren Regelungen wie in Nordirland. England geht mit dem neuen Gesetz nun einen Sonderweg – und distanziert sich klar vom viktorianischen Zeitalter und dem Gesetz von 1861, welche Abtreibungen stets kriminalisierten.