
Erst Panik, jetzt Schönrederei: Der ÖVP-Schwenk beim EU-Defizitverfahren
Noch vor wenigen Wochen schlug die ÖVP Alarm und warnte eindringlich vor einem EU-Defizitverfahren. Jetzt heißt es plötzlich: „Alles halb so wild.“ Die Volkspartei winkt durch, was sie eben noch verteufelte – und riskiert Milliardenkosten für Österreich, sofern man ihren eigenen Worten vom Jänner noch Glauben schenkt.

Noch im Jänner warnte die ÖVP eindringlich vor einem EU-Defizitverfahren gegen Österreich. Es sei absolut notwendig gewesen, dieses gemeinsam mit der FPÖ abzuwenden. Die Konsequenzen wären „verheerend“ gewesen: Budgethoheit weg, höhere Zinsen, schlechtes Rating, Milliardenkosten für Steuerzahler.
Zwei Monate später ist das alles plötzlich halb so wild. Jetzt heißt es aus ÖVP-Kreisen: „Wir werden schon damit fertig.“ Kurz: Was schert uns schon unser Geschwätz von gestern?

Marterbauer winkt ab: „Kein Hals- und Beinbruch“
Mit dem neuen Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) hat sich der Wind gedreht. Der Babler-Vertraute erklärte kürzlich: Ein Defizitverfahren sei „kein Hals- und Beinbruch“. Man müsse halt öfter mit Brüssel reden – na und?
Am Samstag legte er auf Ö1 nach: „Ich fürchte mich davor überhaupt nicht.“ Auch die ÖVP-Staatssekretärin im Finanzministerium Barbara Eibinger-Miedl sekundierte artig: „Wenn es da ist, werden wir damit fertig.“

Gunter Mayr: „Budgetautonomie geht verloren!“
Dabei hatte Interims-Finanzminister Gunter Mayr im Jänner ganz andere Töne angeschlagen. Im Nationalrat warnte er eindringlich: „Wäre man in einem Defizitverfahren, würden Kommission und EZB alle sechs Monate die Budgets mitbeschließen.“ Österreich verliere seine Budgethoheit.
Er erinnerte auch an die Konsequenzen auf den Finanzmärkten: Die Ratingagentur Fitch hatte den Ausblick bereits auf „negativ“ gesenkt – mit dem drohenden Defizitverfahren als Begründung. Österreich müsse dann höhere Zinsen zahlen, was Milliarden koste. Weniger Spielraum für Investitionen, mehr Belastung für Steuerzahler wären die Folge.

Facebook-Gedächtnis: ÖVP warnte selbst vor Schaden
Damals postete die Volkspartei ein Video mit Auszügen der Rede auf Facebook und erklärte dazu: „Finanzminister Gunter Mayr erklärt, warum es so wichtig war, ein EU-Defizitverfahren gegen Österreich abzuwenden!“
Auch in einer Aussendung hob Mayr die finanziellen Vorteile der Vermeidung hervor: „Das spart der Republik Geld“, denn Österreich könne dann „weiterhin zu günstigeren Konditionen Geld auf den internationalen Finanzmärkten aufnehmen. Das senkt die Kosten für die Republik und das Geld der Steuerzahler kann für andere Dinge sinnvoller eingesetzt werden.“

Hafenecker (FPÖ): „Jetzt wird wieder gelogen“
Für FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker ist die Kehrtwende der ÖVP „hochinteressant“. Einst sei das drohende Verfahren ein Hauptstreitpunkt bei den ersten, gescheiterten Ampel-Verhandlungen gewesen. Nun seien die Volkspartei und ebenso die NEOS plötzlich mit dem Kurs der SPÖ einverstanden.

In den FPÖ-ÖVP-Verhandlungen habe man hingegen als erstes Sparmaßnahmen von mehr als sechs Milliarden Euro beschlossen, um das Verfahren abzuwenden. In den anschließenden Verhandlungen seien „weitere Einsparungen für 2025 definiert worden, weil jeder wusste, dass die Wirtschaftsdaten sehr, sehr schlecht sind“. Das sei nämlich schon damals klar gewesen. Niemals solle so tun, als sei er über die Rezession überrascht.
Fahren „sehenden Auges in die Budgetkatastrophe“
Doch jetzt fahre die Regierung „sehenden Auges in die Budgetkatastrophe“. Hafenecker warnt: „Wir wollen nicht noch mehr Kompetenzen an Brüssel abgeben. Wir wollen Herr im eigenen Haus bleiben.“
Überdies müssten künftig auch die Bürger, nicht nur die Regierung, höhere Zinsen tragen: „Auf den internationalen Finanzmärkten muss sich nicht nur die Republik Österreich refinanzieren, sondern auch unsere Bankinstitute. Daher bekommt man nun neues Geld für schlechtere Konditionen.“ Kurz: „Jeder, der einen Kredit aufnimmt, zahlt die Zeche“.
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