EU-Entscheidung über Ukraine: Wird Österreich einknicken?
Vor allem ein Thema verspricht zum Zankapfel des EU-Gipfels am Donnerstag zu werden: der Beitrittsstatus der Ukraine. Nach außen hin wird Einigkeit beschworen, doch unter der Oberfläche brodelt es. Widerstand gegen den Kandidatenstatus kommt vor allem von Österreich und Slowenien.
Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn zeigt sich schon seit Tagen ganz euphorisch: „Wir werden da große Einstimmigkeit zeigen.“ Gemeint ist der EU-Gipfel am Donnerstag. Die EU-Kommission hat zuvor empfohlen, die Ukraine und Moldau offiziell als EU-Beitrittskandidaten aufzunehmen. „Kein EU-Land ist gegen den Kandidatenstatus für Ukraine“, unterstrich Asselborn zuversichtlich – und reichlich voreilig – am Dienstag.
Nach außen hin versucht die EU Eintracht auszustrahlen. Doch hinter den Kulissen macht sich Unmut breit, und zwar großer. Frankreich soll dem Vernehmen nach nicht wirklich begeistert sein, und auch nicht die Niederlande. Widerstand kommt aus Österreich, Slowenien und – abgeschwächt – aus Kroatien. Dafür gibt es gleich mehrere Gründe.
Westbalkan sauer: Warten seit 2003 auf EU-Beitritt
Jeder weiß: Sowohl die Ukraine, als auch die Moldau erfüllen die Bedingungen für einen Beitrittsstatus nicht einmal annähernd. Es geht hier in Wahrheit nur um Geopolitik. Das verärgert sämtliche Länder im Westbalkan, denen schon 2003 der Beitritt versprochen worden war, und die heute die Beitrittskriterien eher erfüllen. Warum sollen dann sie noch warten? Kanzler Karl Nehammer und Sloweniens grün-liberaler Ministerpräsident Robert Golob befürchten, dass die EU im Westbalkan ihre Glaubwürdigkeit verlieren wird. Zumindest Bosnien-Herzegowina müsse dann ebenso ein offizieller Beitrittskandidat werden.
Vor dem Ukraine-Votum treffen sich die EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstagmorgen noch mit den sechs Ministerpräsidenten der Westbalkan-Länder. Auch Albanien und Nordmazedonien erwarten eine einstimmige Erklärung der EU, um in Kürze mit den Beitrittsverhandlungen beginnen zu können.
Also sollen gleich alle auf einmal Beitrittskandidaten werden? Das ist nicht so einfach.
Beitrittsverhandlungen ohne Waffenstillstand?
Die Aufnahmefähigkeit der EU gilt ebenso als Kriterium, sobald über den Kandidatenstatus anderer Länder entschieden wird. Das verärgert zurzeit die EU-Botschafter aus Polen und dem Baltikum, nur das darf die EU nicht ignorieren.
Darüber hinaus ist im Falle der Ukraine völlig unklar, wie die Beitrittsverhandlungen ohne Waffenstillstand überhaupt beginnen sollen.
Korruption in der Ukraine noch immer allgegenwärtig
Zu guter Letzt: Seit mehr als 20 Jahren fließen bereits Milliarden-Gelder der EU nach Kiew. Sie sollten dem Land helfen, die omnipräsente Vetternwirtschaft auch höchster Staatsebene zu bekämpfen. Sie galt bisher – ganz offiziell! – als Haupthindernis einer Annäherung. Nach wie vor haben Oligarchen und Interessensgruppen in der Ukraine das Sagen. Doch leider: Sämtliche Investitionen brachten nicht einmal annähernd den gewünschten Erfolg. Zu diesem Befund gelangte erst vor kurzem, im September 2021 der europäische Rechnungshof, der in einem Sonderbericht die Ukraine massiv kritisierte – der eXXpress berichtete.
Kann man sich das alles wirklich schönreden, nur 240 Tage später?
Ohne Österreich geht es nicht: Es braucht Einstimmigkeit
Die Entscheidung über einen Beitrittsstatus erfordert Einstimmigkeit unter den Staatenchefs. Immerhin: Von diesem Prinzip ist die EU bisher – noch – nicht abgerückt, auch wenn EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bereits unverhohlen davon spricht. Doch solange sich daran nichts ändert, können Nehammer und Golob den Kandidatenstatus für die Ukraine und Moldau blockieren.
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