Ex-General warnt Berlin vor Waffenlieferungen: "Das ist eine Eskalation"
Erich Vad ist nicht nur ehemaliger Brigade-General. Von 2006 bis 2013 war er darüber hinaus militärpolitischer Berater von Kanzlerin Angela Merkel. In einem Interview rechnet er mit der westlichen Politik im Ukrainekrieg ab und attackiert die Berichterstattung scharf.
Mit schwerwiegenden Vorwürfen an den Grünen, den Medien und an den jetzigen Waffenlieferungen wartet der ehemalige Top-General Erich Vad (66) in einem Interview auf. Auch teilt er die gängigen Militär-Analysen nicht: Die Russen seien klar auf dem Vormarsch, egal wie viele Panzer der Westen an Kiew schickt. Als einer der wenigen Persönlichkeiten in Deutschland kritisiert Vad Berlins Zusendung von 40 Mardern an die Ukraine aus. “Das ist eine militärische Eskalation, auch in der Wahrnehmung der Russen”, unterstreicht er. Die Marder seien zwar keine “Wunderwaffe”, aber es könne eine verhängnisvolle Eigendynamik entstehen: “Wir begeben uns auf eine Rutschbahn.”
Gleichzeitig fehle ein strategisches Gesamtkonzept, überhaupt seien die Kriegsziele Deutschlands unklar, kritisierte der Militärexperte im Interview mit dem deutschen Magazin “Emma”: “Es gibt keine realistische End-State-Definition. Und ohne ein politisch strategisches Gesamtkonzept sind Waffenlieferungen Militarismus pur.”
Ukraine kann nicht die Krim oder den Donbass erobern
Nun soll Deutschland auch noch den hocheffektiven Leopoard-Panzer an die Ukraine schicken. “Um die Krim oder den Donbass zu übernehmen, reichen die Marder und Leoparden nicht aus”, sagt der Brigadegeneral a. D. der Bundeswehr. Er teilt die euphorischen Bewertungen sämtlicher westlicher Medien nicht. “In der Ostukraine, im Raum Bachmut, sind die Russen eindeutig auf dem Vormarsch. Sie werden wahrscheinlich den Donbass in Kürze vollständig erobert haben. Man muss sich nur allein die numerische Überlegenheit der Russen gegenüber der Ukraine vor Augen führen. Russland kann bis zu zwei Millionen Reservisten mobil machen. Das kann der Westen 100 Marder und 100 Leoparden hinschicken, sie ändern an der militärischen Gesamtlage nichts.”
Zurzeit habe man “eine militärisch operative Patt-Situation, die wir aber militärisch nicht lösen können”. Deshalb brauche es Verhandlungen. Hierbei verweist Erich Vad auf die Einschätzungen aus dem Pentagon, die jenen des Weißen Hauses teils widersprechen, über die aber kaum berichtet werde. Der amerikanischen Generalstabschef Mark Milley hat gesagt, “dass ein militärischer Sieg der Ukraine nicht zu erwarten sei und dass Verhandlungen der einzig mögliche Weg seien. Alles andere bedeutet den sinnlosen Verschleiß von Menschenleben.”
"Wir erleben eine Gleichschaltung der Medien"
Verstörend sei, dass in deutschen Medien über Milleys Aussagen kaum berichtet werde, obwohl er der Generalstabschef der westlichen Führungsmacht ist. “Wir erleben weitgehend eine Gleichschaltung der Medien, wie ich sie so in der Bundesrepublik noch nie erlebt habe. Das ist pure Meinungsmache.” In der medialen Meinungsbildung würden sämtliche Stimmen ausgeklammert. “Militärische Fachleute – die wissen, was unter den Geheimdiensten läuft, wie es vor Ort aussieht und was Krieg wirklich bedeutet – werden weitestgehend aus dem Diskurs ausgeschlossen.”
In der Ukraine werde ein Abnutzungskrieg betrieben, mit mittlerweile annähernd 200.000 gefallenen und verwundeten Soldaten auf beiden Seiten, mit 50.000 zivilen Toten und mit Millionen von Flüchtlingen. Der US-Generalstabschef Milley zog eine Parallele zum Ersten Weltkrieg “die treffender nicht sein könnte. Im Ersten Weltkrieg hat allein die sogenannte ‚Blutmühle von Verdun‘, die als Abnutzungsschlacht konzipiert war, zum Tod von fast einer Million junger Franzosen und Deutscher geführt. Sie sind damals für nichts gefallen. Das Verweigern der Kriegsparteien von Verhandlungen hat also zu Millionen zusätzlicher Toter geführt. Diese Strategie hat damals militärisch nicht funktioniert – und wird das auch heute nicht tun.”
"Ich kennen keinen Grünen, der den Militärdienst geleistet hat"
Hart ins Gericht geht Erich Vad mit der Politik von Außenministerin Annalena Baerbock: “Militärische Operationen müssen immer an den Versuch gekoppelt werden, politische Lösungen herbeizuführen. Die Eindimensionalität der aktuellen Außenpolitik ist nur schwer zu ertragen.” Die Hauptaufgabe der Politik müsse Diplomatie und Interessensausgleich sein. Die Mutation der Grünen von einer pazifistischen zu einer Kriegspartei sei nicht zu verstehen. “Ich selbst kenne keinen Grünen, der überhaupt auch nur den Militärdienst geleistet hätte. Anton Hofreiter (Mitglied des deutschen Bundestags, Anm.) ist für mich das beste Beispiel dieser Doppelmoral.”
Für den weiteren Fortgang sei nun entscheidend, was Washington und Moskau tun. “Es ist doch lächerlich zu sagen, die Ukraine müsse das entscheiden.” Klar sei: “Die Schwarzmeerregion ist für die Russen und ihre Schwarzmeerflotte so wichtig wie die Karibik oder die Region um Panama für die USA.” Bei einem freien Volksabstimmung auf der Krim würde die Bevölkerung “mit Sicherheit für Russland” votieren. Gleichzeitig müsse man sich fragen, wie man diesen militärischen Konflikt durchstehen wolle, ohne in einen Dritten Weltkrieg mit Russland zu rutschten – “wohlbemerkt der stärksten Nuklearmacht der Welt!” Darüber hinaus sei unglaubwürdig, dass Putin nicht verhandeln wolle. “Beide, die Russen und Ukrainer waren am Anfang des Krieges Ende März, Anfang April 2022 zu einer Friedensvereinbarung beriet. Daraus ist dann nichts geworden.” Nun müsse sicih “in Washington eine breitere Front für Frieden aufbauen”.
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