Ex-Kanzler Kurz: „Endlich kommt die Wahrheit ans Licht!“
Die Ermittlungen gegen Ex-Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) wurden eingestellt. Sebastian Kurz kritisiert: „Mehr als zwei Jahre wurden falsche Vorwürfe und erfundene Geschichten über Gernot Blümel verbreitet.“ Tatsächlich hat die Staatsanwaltschaft aufgrund von äußerst dürftigen Indizien mehrere Polit-Karrieren beendet.
Mehrfachen Grund zur Freude hat der ehemalige Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP). Mittlerweile arbeitet er als Geschäftsführer für ein Unternehmen, das zum Software-Riesen CompuGroup Medical gehört. Überdies hat er seine bisherige Lebensgefährtin Clivia Treidl, mit der er zwei Kinder hat, Ende August in seiner niederösterreichischen Heimatgemeinde Moosbrunn geheiratet. Zu guter Letzt kam bei Blümels Anwalt auch noch die befreiende Mitteilung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) an: Das Verfahren rund um den Glückspielkonzern Novomatic wegen des Verdachts der Bestechung wurde eingestellt.
Mit Genugtuung erfüllt das auch Alt-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP): „Mehr als zwei Jahre wurden falsche Vorwürfe und erfundene Geschichten über Gernot #Bluemel verbreitet“, schreibt er auf X (Twitter). „Nun kommt endlich die Wahrheit ans Licht. Es wird nicht das letzte Mal gewesen sein.“
Gab es überhaupt genügend Indizien?
Tatsächlich hat die WKStA mit einem wahren Tsunami an Razzien, Ermittlungen, geleakten SMS, Anzeigen und – großteils verlorenen – Prozessen die Karrieren mehrerer Politiker beendet. Im Fall des ehemaligen Vizekanzlers Heinz-Christian Strache (FPÖ) hat man schon fast aufgehört mitzuzählen: In einem Gerichtsverfahren nach dem anderen unterlag die WKStA. Der ehemalige FPÖ-Chef wurde bisher immer frei gesprochen.
Haarsträubendes tritt im Rückblick in der Causa Blümel zutage. Selbst das „Profil“ fragt sich nun, „ob die WKStA überhaupt genug Indizien für einen Anfangsverdacht gegen Blümel hatte“. Die Suppe war dünn, möglicherweise zu dünn. Dennoch fand im Februar 2021 in Blümels Wohnung eine Hausdurchsuchung statt. Die Oppositionsparteien forderten umgehend und geschlossen den Rücktritt des Finanzministers.
Wesentliche Bausteine des Verdachts fehlten von Anfang an
Grundlage der Untersuchungen war eine iMessage des früheren Novomatic-Chefs Harald Neumann vom 21. Juli 2017: „Guten Morgen, hätte eine Bitte. Bräuchte einen kurzen Termin bei Kurz (erstens wegen Spende und zweitens bezüglich einen Problemes das wir in Italien haben! Glauben Sie geht sich das noch diese Woche aus?? Lg Harald“
Der Verdacht der WKStA: Die Novomatic hätte Kurz zu Beginn des Wahlkampfs eine Spende in Aussicht gestellt als Gegenleistung für dessen Hilfe mit den italienischen Finanzbehörden. Dort drohte nämlich eine Steuernachzahlung von bis zu 60 Millionen Euro.
Das Problem: Wo keine Leiche, da kein Mord bzw. wo keine Spende, da keine Bestechung. Die Staatsanwaltschaft fand nie auch nur einen Hinweis auf eine Spende des Glücksspielkonzerns an die ÖVP. Ob sich Blümel mit Kurz über die Causa überhaupt unterhalten hat, blieb ebenfalls unklar, und ebenso, ob Neumann eine Spende anbot.
Mit anderen Worten: Die WKStA hat eine mögliche ÖVP-Hilfe für Novomatic mit einer fiktiven Spende kombiniert, von der es aber keine Spur gibt. Ihr lag zu keinem Zeitpunkt eine tatsächliche Spende der ÖVP vor, auf die sie ihren Verdacht hätte stützen können.
Allerdings ist das nicht das einzig Empörende.
Die erfunden Geschichte vom Laptop im Kinderwagen
Monatelang ereiferten sich Kabarettisten aus dem Umfeld des ORF über Blümels Notebook, das dessen Frau während der Razzia am 11. Februar 2021 im Kinderwagen versteckt haben soll. So gut wie nichts war an der Geschichte wahr.
Erstens: Dass der damalige Finanzminister seine Lebensgefährtin kurz vor der Hausdurchsuchung über den Besuch der Ermittler informieren durfte, lag am Coronavirus. Damals war gerade Lockdown, man wollte das Kind nicht dem Risiko einer Ansteckung aussetzen. Das alles geschah in Absprache mit der Staatsanwaltschaft. Blümels heutige Frau hat sich also nicht heimlich aus dem Staub gemacht. Zweitens nahm sie den Laptop nicht im Kinderwagen mit, sondern in ihrer Handtasche – wie so viele andere Menschen auch. Die Mutter wollte damit arbeiten und das Kind unterhalten, wie sie später erklärte. Drittens war es Blümel selbst, der bei der Befragung sein privates Notebook erwähnt hatte. Sein damaliger Kabinettschef musste Blümels Lebensgefährtin hinterher eilen und den Laptop zurückbringen. Viertens haben die Ermittler auf dem Notebook nichts auch nur irgendwie Verdächtiges gefunden.
Dennoch: Zahlreiche Journalisten und sogenannte Kabarettisten jagten den damaligen Finanzminister und seine Partnerin durch Sonne, Mond und Sterne. Das Bild vom Kinderwagen mit dem Laptop war nicht mehr wegzubekommen.
Zwei offene Fragen
Zuletzt bleiben noch zwei Fragen:
Erstens: Welcher jener Spötter hat sich eigentlich beim ehemaligen Finanzminister entschuldigt? Nicht nur haben sich die Vorwürfe gegen ihn in Luft aufgelöst, auch die Kinderwagen-Geschichte entpuppte sich als falsches Gerücht, in das überdies auch noch seine Familie und besonders seine Ehefrau hineingezogen worden sind.
Zweitens: Warum haben die Staatsanwälte zweieinhalb Jahre gegen Blümel ermittelt, aber nur ein Jahr lang gegen die Wien-Energie – und damit mutmaßlich auch gegen Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), dessen Name aber nirgendwo genannt wurde?
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