Laut Altbundeskanzler Wolfgang Schüssel wird die Regierung bei der Migrationspolitik von den Gerichten behindert. In einem seiner seltenen Fernsehinterviews sagt der einstige ÖVP-Parteichef: „Du hast heute in den Asylsenaten, bei den Gerichten seit 10 bis 15 Jahren eine Judikatur, die es praktisch unmöglich macht, dass Du jemanden abweist, der an der Grenze ,Asyl‘ sagt.“

Illegale bleiben, aber Schlüsselarbeitskräfte fehlen

Mitverantwortlich dafür seien auch Nicht-Regierungsorganisationen aus der Flüchtlingshilfe, klagt der jahrzehntelange ÖVP-Politiker beim ServusTV-Magazin „BLICKWECHSEL. Das Nachrichtenmagazin“: „Mit Hilfe entsprechender Institutionen, die ihnen helfen und sie beraten, werden die Verfahren unendlich gestreckt. Und am Ende kriegst Du sie nicht weg.“ Umgekehrt, so der wirtschaftsliberale Schüssel, müsse sich Österreich mehr bemühen Schlüsselarbeitskräfte ins Land zu bekommen.

Wolfgang Schüssel wird Anfang Juni 80 Jahre alt. Von 2000 bis 2007 war er Bundeskanzler einer ÖVP-geführten Koalition mit FPÖ/BZÖ. In seinem aktuellen Buch („Mit Zuversicht. Was wir von gestern für morgen lernen können.“ – Ecowing Verlag) blickt er auch auf diese Zeit zurück. Und zieht Parallelen in die Gegenwart.

Kritik an Van der Bellen und Herbert Kickl

„Ausschließeritis geht nicht“, sagt Schüssel, und kritisiert damit gleichermaßen die grundsätzliche Absage von Koalitionsgesprächen mit der FPÖ bzw. mit Herbert Kickl im Wahlkampf, als auch die sogenannte „Brandmauer“ in Deutschland gegen die AfD. Mit zu demokratischen Wahlen zugelassenen Parteien müsse man immer verhandeln können, so Schüssel.

Kritik übt Schüssel auch am Verhalten von Bundespräsident Alexander Van der Bellen: „Es war schade, dass der Bundespräsident nach der Wahl nicht sofort einen Regierungsbildungsauftrag an den Wahlsieger erteilt hat.“

Linke und Rechte – beide wollen nur vorschreiben

FPÖ-Chef Herbert Kickl sieht er kritisch. Einerseits auf Grund seiner Haltung zur EU, andererseits aber auch weil: „Kickl hat, schon als ich die Koalition mit der FPÖ gehabt habe, ununterbrochen gegen diese Koalition intrigiert. Er hat versucht, sie zu Fall zu bringen, mit Knittelfeld, mit Heinz-Christian Strache, der bewusst gegen Haider damals aufgetreten ist.“

Schüssel wirbt bis heute für seinen alten Wahlspruch „Mehr privat, weniger Staat“. Und mehr Hausverstand in der Politik. „Linke und Rechte wollen beide regulieren, einschränken, begrenzen: Die Rechten wollen die Grenzen dicht machen, wollen vorschreiben, wie man die Geschichte wahrzunehmen hat. Bei den Linken hast Du oft die Tendenz, dass sie Dir vorschreiben wollen, welche Heizung Du verwenden sollst, wie Du reden sollst.“

Selbstkritik: „Hätte mutiger sein müssen“

Auch mit seiner eigenen Zeit an der Regierungsspitze geht er heute kritisch um: „Ich hätte in manchen Bereichen eigentlich noch mutiger sein müssen, mich noch mehr trauen, wenn man doch dann oft mit angezogener Handbremse das eine oder andere macht.“

Was Schüssel damit meint, wie er die Lage seiner Partei unter Parteichef und Bundeskanzler Christian Stocker sieht, ob er sich eine Rückkehr von Sebastian Kurz wünscht – sehen Sie im ServusTV-Nachrichtenmagazin „BLICKWECHSEL“ am Mittwoch, 21.5., ab 22:15 Uhr bei ServusTV und bei ServusTV On.