Fahrlässige Krida? Ludwigs Wien Energie drohte bereits 2021 ein Milliarden-Desaster
Es war kein “Tsusnami” an der Strombörse, wie das Wiens Finanzstadtrat formuliert hat: Das Finanzdesaster der Wien Energie dürfte über Monate von den Managern und tatenlos zusehenden Politikern mitverursacht worden sein – der Finanzexperte Gerald Zmuegg liefert dazu Indizien. Experten sehen Verdacht auf fahrlässige Krida.
“Die Unternehmensführung der Wien Energie hat das sogar selbst mit dem Geschäftsbericht für das Jahr 2021 veröffentlicht: Auf Seite 14 ist da für alle zu lesen, dass für ,negative Marktwerte’ Rückstellungen zu bilden gewesen wären – und zwar in der Höhe von 2,7 Milliarden Euro.”
Und auf Seite 13 berichten dazu die Wien-Energie-Manager: “Da den Sicherungsgeschäften QUASI sichere Grundgeschäfte zugrunde liegen, handelt es sich bei den dargestellten Gewinnen und Verlusten um reine Bewertungsgrößen und nicht um tatsächlich realisierte Gewinne oder Verluste aus Handelsgeschäften.”
Laut Duden heißt “quasi”: “Sozusagen, gewissermaßen, so gut wie.” Aber keineswegs heißt “quasi”: “Absolut sicher.”
Folglich formulierte die Geschäftsführung der Wien Energie bereits in ihrem Jahresbericht 2021 schon sehr klar, dass lediglich “so gut wie” Grundgeschäfte den Sicherungsgeschäften zugrunde liegen …
"Bewertungsverlust überstieg Eigenkapital bereits im Dezember 2021 deutlich"
Der Top-Finanzexperte Gerald Zmuegg (Finanzombudsteam.at) erklärt dazu im eXXpress-Gespräch: “Die Wien Energie GmbH. konnte bereits zum 31.12.2021 die notwendigen Margins nur noch aus dem Cash Pooling des Wiener Stadtwerke Konzerns leisten. Der Bewertungsverlust von einer Milliarde Euro aus den Strom-Termingeschäften bis zum 31.12.2021 übersteigt das Unternehmens-Eigenkapital von 761 Millionen Euro deutlich.”
Anmerkung: Mit Margins werden im Derivate-Handel als diejenigen Sicherheitsleistungen bezeichnet, die der Erwerber der Papiere leisten muss. Sie dienen dazu, bei Fehlspekulationen Verluste auszugleichen.
Heftig: Volumen der Termingeschäfte haben sich in zwei Jahren verdoppelt
Ebenfalls ein Indiz dafür, dass die totale Finanzkrise des zu 100 % städtischen Energie-Konzerns schon länger von der Geschäftsführung und von nicht einschreitenden Aufsichtsräten sowie SPÖ-Politikern provoziert worden sein könnte: “Bei der Wien Energie GmbH. hat sich das Volumen an Strom-Termingeschäften seit dem Jahr 2019 nominell verdoppelt. Die deutliche Ausweitung der Verkäufe auf Termin ist ein Treiber des im August dieses Jahres bekannt gewordenen Liquiditätsengpasses”, berichtet Gerald Zmuegg.
Dazu die Fakten: 2019 produzierte die Wien Energie 7398 Gigawattstunden Strom und handelte mit 4574 Gigawattstunden bei Termingeschäften. Im Jahr 2021 kam die Jahresproduktion an Strom auf 6280 Gigawattstunden – aber die Wien Energie handelte mit 9640 Gigawattstunden, also mit 153 % der Jahresproduktion. Das Ausmaß der Termingeschäfte der Wien Energie hat sich in nur zwei Jahren mehr als verdoppelt …
Eigentlich ein Fall von fahrlässiger Krida?
Gerald Zmuegg warnt aber vor einer weiteren Zuspitzung der Situation – zu der Wiens Bürgermeister Michael Ludwig und sein Finanzstadtrat Peter Hanke noch immer ziemlich viel verschweigt: “Dass die Wien Energie GmbH zum wiederholten Male auf liquide Mittel der Stadt Wien zurückgreifen musste, um die Termingeschäfte aufrecht halten zu können, zeigt, dass bereits vor dem 26. August die Laufzeit und das Volumen der Geschäfte in keinem Verhältnis zur Risikotragfähigkeit der Wien Energie und des Konzerns standen.”
Und er formuliert noch deutlicher: “Da wurde ein wichtiges Unternehmen in eine Extrem-Situation hineintheatert.”
Experten unterstreichen: Ein Unternehmer, der mit seinen Geschäften den Gesamtbestand des Unternehmens gefährdet, hat üblicherweise mit einer Anklage wegen fahrlässiger Krida zu rechnen. Bei einer Verurteilung wegen grob fahrlässiger Krida droht ein Strafrahmen von bis zu zwei Jahren Haft. In einer Woche müssen die Manager der Wien Energie ihre komplette Geschäftstätigkeit seit 2019 auch der Finanzprokuratur des Bundes offenlegen.
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