Frankreich gewöhnt sich an Gewalt: Protest gegen Macrons Pensionsreform eskaliert
In Frankreich wird Gewalt zunehmend mehrheitsfähig, vor allem bei Linken. Das belegen neueste Umfragen. Die Folgen sieht man auf den Straßen und in den Spitälern: Mehr als tausend Einsatzkräfte wurden bei den anhaltenden Protesten gegen die Pensionsreform bisher verletzt.
Präsident Emmanuel Macron ist drauf und dran die Pensionsreform ohne Abstimmung im Parlament durchzusetzen. Seit Wochen erhebt sich deshalb der Zorn gegen ihn und Regierungschefin Elisabeth Borne auf den Pariser Straßen. Die Gewalt eskaliert zunehmend, ein Ende ist nicht in Sicht. Straßenschlachten gehören allmählich zum Alltag.
“Die Bilanz der letzten Wochen ist düster”, schreibt die “Welt”. “Mehr als tausend verletzte Polizisten und Feuerwehrleute, zwei Demonstranten im Koma, Politiker, die bedroht werden, Abgeordnete deren Haustür zugemauert wird und eine Parlamentspräsidentin, die antisemitische Beschimpfungen erhält. Was ist nur los in Frankreich?”
Running street battles between the people and authorities in Paris.
— ℝ𝕒𝕛𝕒𝕟 𝕊𝕚𝕟𝕘𝕙 𝕐𝕒𝕕𝕒𝕧 (@Rajansy123) March 27, 2023
France is currently experiencing widespread and violent protests against President Emmanuel Macron's proposed pension reform.
This is not Syria or Iran , this is a powerhouse of EUROPE - FRANCE pic.twitter.com/LT488pr83V
35 Prozent halten Gewalt für legitim, bei der Linken denkt das die Mehrheit
Erstaunlich viele Franzosen halten Gewalt für ein legitimes Mittel zur Erreichung politischer Ziele. Das ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts ifop. Auf der politischen Linken denk das sogar die Mehrheit. 35 Prozent der Befragten bejahen, dass es “manchmal notwendig ist, Gewalt einzusetzen, um seine Anliegen oder Überzeugungen voranzubringen”. Bei den Sympathisanten der linkspopulistischen Partei Unbeugsames Frankreich denken das sogar 60 Prozent.
In der Vergangenheit hatten gewalttätige Proteste in Frankreich durchaus “Erfolg”, etwa die Gelbwesten, die Macron erst damit stoppte, als er eine Finanzhilfe von zehn Milliarden Euro für bedürfte Haushalte beschloss. Das festigte bei den Bürgern die Überzeugung, dass Gewalt zum Ziel führen. Doch Macron zog offensichtlich die gegenteilige Schlussfolgerung: Diesmal beharrt der Präsident auf einer Anhebung des Pensionsalters auf 64 Jahre und ist nicht kompromissbereit.
Drohbriefe gegen vier Monate alten Säugling der Fraktionsvorsitzenden
Politiker, die Macrons Pensionsreform unterstützen, erhalten bereits Drohbriefe. Die Fraktionsvorsitzende von Macrons Regierungspartei Renaissance Aurore Bergé hat einen Brief sogar in den sozialen Netzen veröffentlicht, weil er so abstoßend ist. Er richtet sich nämlich nicht gegen Bergé, sondern gegen ihren vier Monate alten Sohn: “Ihr Auswurf ist so klein, dass er nicht wird fliehen können. Feuer, Baseballschläger, Eisenstange. Alles ist geeignet, um sie auszurotten.” Bergé erstattete Anzeige. Sie spricht von “Erpressungsversuchen”, denen man in der Demokratie auf keinen Fall nachgeben dürfe.
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