Friedensaktivist in Kiew vor Gericht: „Bösartiger russischer Propagandist“
Der ukrainische Pazifist Yurii Sheliazhenko steht in Kiew vor Gericht. Sein bevorstehender Prozess hat weltweit Proteste unter Friedensaktivisten ausgelöst. Kiew wirft Sheliazhenko die Verbreitung russischer Propaganda vor.
Am 20. September beginnt der Prozess gegen Yurii Sheliazhenko. Er gehört zur Nichtregierungsorganisation „Ukrainische Pazifistische Bewegung“ und ist überdies Vorstandsmitglied der weltweiten Antikriegsorganisation „World Beyond War“. Bereits am 15. August wurde er in Kiew teilweise unter Hausarrest gestellt. Er ist deklarierter Pazifist und macht sich überdies für Kriegsdienstverweigerer stark.
In den Augen Kiews ein Propagandist des Kremls
Der Prozess gegen den Friedensaktivisten löste weltweiten Protest aus. In Kiew erklärten hingegen die Staatsanwaltschaft und der ukrainische Sicherheitsdienst in einer Aussendung: Man habe die Aktivitäten des „bösartigen russischen Propagandisten Yurii Sheliazhenko“ gestoppt.
Möglicherweise bezog sich auch Sarah Ashton-Cirillo, Sprecherin der ukrainischen „territorialen Verteidigungskräfte“, in einem Video auf den bevorstehenden Prozess. Sie erklärte: „Nächste Woche werden die Zähne der russischen Teufel noch härter knirschen und ihre tollwütigen Mäuler werden einen unkontrollierbaren Schaum bilden, wenn die Welt sieht, wie ein beliebter Propagandist des Kremls für seine Verbrechen bezahlt. Und diese Marionette von Putin ist nur die erste. Russlands kriegsverbrecherische Propagandisten werden alle zur Strecke gebracht und der Gerechtigkeit wird Genüge getan werden.“
Since there are several people asking for this video and many discussing it on Telegram and across social media channels, here is my latest episode of Russia Hates the Truth.
— Sarah Ashton-Cirillo (Ukrainian TDF Media) (@SarahAshtonLV) September 13, 2023
The russians and their supporters are gnashing their teeth as predicted.
pic.twitter.com/Bdr1yddFN3
Scharfe Kritik von deutscem Verein der Kriegsdienstverweigerer
Yurii Sheliazhenkos Unterstützer widersprechen. Der Aktivist habe seit Beginn der Invasion Russlands Vorgehen scharf verurteilt und die russische Kriegsführung öffentlich angeprangert. Darauf weist auch der deutsche Verein der Kriegsdienstverweigerer Connection e. V. hin, der offen gegen den Prozess protestiert. „Yurii Sheliazhenko ist ein politischer Gefangener, der nur deshalb inhaftiert ist, weil er friedlich seine aufrichtigen pazifistischen Ansichten geäußert hat“, kritisiert Connection. „Er sollte unverzüglich und bedingungslos freigelassen und alle Anklagen gegen ihn sollten fallen gelassen werden.“
Die ukrainischen Behörden sollten das Recht auf freie Meinungsäußerung respektieren und das harte Vorgehen gegen Sheliazhenko und die Ukrainische Pazifistische Bewegung einstellen, heißt es weiter in einer Mitteilung des Vereins.
☮️Let’s Stand with Peace, and Shame on Peace Deniers https://t.co/qGm1xDv34t #NoToWar #StopTheWar #PeaceInUkraine #InternationalSummitforPeace #SummitVienna #RefuseToKill #StandWithObjectors #ObjectWar #ObjectWarCampaign #NonviolentResistance #AntiWar #AntiMilitarism #BrokenRifle pic.twitter.com/sy5hQwxhqb
— Юрій Шеляженко | Yurii Sheliazhenko (@sheliazhenko) June 10, 2023
Tausende fliehen vor dem Kriegsdienst
Connection-Geschäftsführer Rudi Friedrich hält gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) fest: „Wir setzen uns für Yurii Sheliazhenko ein, weil Kritik am Militär keine Straftat ist, sondern das Recht eines jeden.“, Dem Friedensaktivisten gehe es darum, dass auch militärdienstpflichtigen Männer in der Ukraine das Recht zur Kriegsdienstverweigerung haben, was ihnen zurzeit aber verwehrt wird.“
Der deutsche Verein unterstützt ebenso russische und weißrussische Deserteure. Bisher wisse man von einem halben Dutzend Kriegsdienstverweigerer in der Ukraine, die zum Teil zu mehreren Jahren Haft verurteilt worden seien, berichtet Connection. Andere seien an der Front eingesetzt. Deshalb seien auch Tausende ins Ausland geflohen, um der Rekrutierung zu entgehen.
Kiew soll über Auslieferungsanträge an europäische Staaten nachdenken
Allein nach Deutschland sollen dem Innenministerium zufolge seit Kriegsbeginn 203.640 ukrainische Männer männliche ukrainische Staatsangehörige zwischen 18 und 60 Jahren eingereist sein, die damit wehrpflichtig sind. Tatsächlich ist Wehrdienstverweigerung in der ukrainischen Verfassung nicht vorgesehen. Es gilt das Kriegsrecht.
Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete, dass man in Kiew derzeit über „Auslieferungsanträge“ an europäische Staaten nachdenke. Bei den sich in Deutschland aufhaltenden Ukrainern handele es sich um „eine riesige Zahl, die militärisch durchaus ins Gewicht fällt und im Kriegsgeschehen einen Unterschied machen könnte“.
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