Gerald Fleischmann, die nette Axt von Ex-Kanzler Kurz: "Wo bleibt die Wahrheit?"
Er rief an, wenn es “Probleme” gab – mit der Berichterstattung von Medien über Sebastian Kurz, die ÖVP, über Türkis-Blau: Jetzt schrieb Gerald Fleischmann, der Kommunikationschef des Ex-Kanzlers ein Buch über das Thema Message Control.
Der stets ruhig und sanftmütig wirkende Mitarbeiter von Ex-Kanzler Sebastian Kurz verteilte an Österreichs Medien die “großen Storys” der Bundesregierung – also jene, die Türkis-Blau auch in den Zeitungen sehen wollte. Und Gerald Fleischmann (50) sorgte auch manchmal dafür, dass manches vielleicht doch etwas anders formuliert in gewissen Blättern erschien, wie das ursprünglich von österreichischen Innenpolitik-Journalisten formuliert war. Selbst die Auswahl der Fotos “des Chefs” blieb nicht unbeachtet. Gerald Fleischmann konnte als “nette Axt” von Sebastian Kurz tatsächlich viel in manchen Medienhäusern mitreden – die Herausgeber spielten (meistens) mit.
Jetzt präsentiert der Kommunikations-Profi sein neues Buch: Der ÖVP-Insider schreibt über die Kontrolle der politischen Kommunikation, über die Message Control, und verrät auch einige Tricks (vermutlich nicht alle). Vermutlich hätte es dem einen oder anderen Gastautor aus dem Journalismus Spaß gemacht, auch seine Sichtweise der von Gerald Fleischmann praktizierten und von vielen Redakteuren erlebten Message Control darin mitzugeben.
Jahrelang ständig mit Österreichs wichtigsten Medien kommuniziert
Das ganze Interview sehen Sie auf exxpressTV heute, Samstag, in unserer großen Newssendung “10 vor 8” um 19.50 Uhr
exxpress: Herr Fleischmann, sie waren der wichtigste Kommunikationsstratege von Sebastian Kurz und haben das Bundeskanzleramt fast gleichzeitig mit ihm verlassen. Was machen Sie heute?
Gerald Fleischmann: Ich bin beruflich Kommunikationschef der Volkspartei. Das mit dem Buch über die “Message Control” war eigentlich anders geplant. Im Sommer letzten Jahres ist der Verlag auf mich zugekommen mit der Idee, so ein Buch zu machen, und ich habe mir das überlegt und habe dann zugesagt. Der Plan war eigentlich, dass dieses Buch letzten Dezember erscheint, gleichzeitig mit einer beruflichen Veränderung bei mir. Ich hätte ein internationales Engagement angetreten. Dann hat aber im November die Volkspartei angerufen und gefragt, ob ich Kommunikationschef werden möchte. Und da habe ich natürlich selbstverständlich zugesagt. Dann habe ich gebeten, das Buch zu verschieben. Jetzt hat der Verlag angerufen und gesagt, wir haben dieses Buch gemacht und haben gedruckt. Jetzt muss man es natürlich auch verkaufen. Und jetzt verkaufen wir halt dieses Buch.
exxpress: Sie sind ja persönlich auch in die Schusslinie der Medien geraten. Wie gerechtfertigt sind die Vorwürfe, dass sie die graue Eminenz hinter Sebastian Kurz waren und die Partei mit ihrer “Message Control” sogar im Griff hatten?
Gerald Fleischmann: Die “Message Control” war eigentlich eine Erfindung der Medien, wenn man so möchte. Oder eine Beschreibung für einen neuen Zustand, den es insbesondere gegeben hat 2018 und 2019. Warum? Es gab davor eine Koalition aus SPÖ und ÖVP, die ständig gestritten hat. Und dann gab es eine neue Regierungsform im Jahr 2018 aus zwei Koalitionspartnern, die das Ziel hatten, nicht zu streiten und das auch relativ wenig gemacht haben. Und das war eine neue Situation für die Medien. Dafür haben sie einen Namen gesucht, um dieses Phänomen zu beschreiben, und das war eben die Message Control. Aus heutiger Sicht, retrospektiv betrachtet, würde ich meinen, die Message Control ist ein Synonym für Public Relations, PR oder einfach professionelle Pressearbeit.
"Wo bleibt in diesem ganzen Spiel die Wahrheit?"
exxpress: Das heißt, der Begriff der “Message Control” kam nicht von ihnen selbst, sondern wurde ihnen zugeschrieben.
Gerald Fleischmann: Es war eine Beschreibung der Medien für eine neue Situation, die es insbesondere 2018 und 2019 gegeben hat. Ja, so würde ich das sehen.
exxpress: Worum geht es nun in ihrem Buch über die “Message Control”? Ist es eher eine Biografie oder oder ein Leitfaden mehr für junge oder oder angehende Pressesprecher?
Gerald Fleischmann: Also eigentlich richtet es sich an die gesamte Bevölkerung. Wir haben ein Thema als mediales System, was Glaubwürdigkeit betrifft: Verschwörungstheorien, Stichwort Lügenpresse, Fake News und dergleichen. Ich würde da gar nicht trennen zwischen Politik und Medien, sondern ich würde von einem politmedialen System reden. Warum? Es ist richtig, im Vertrauensindex ist die Politik an letzter Stelle, aber die Medien liegen an vorletzter Stelle.
Und jetzt finde ich es eigentlich eh ganz okay, wenn der Vorletzte dem Letzten ständig ausrichtet, was er besser machen soll. Aber ich glaube, es gibt in Summe ein Thema. Der Hintergedanke hinter meinem Buch ist, dass man in der Regel mehr Angst hat vor dem, was man nicht kennt. Und daher ist dieses Buch der Versuch, mit einem Blick hinter die Kulissen Dinge herzuzeigen, transparent zu machen. Warum was funktioniert, wie es funktioniert. Vielleicht, und so hoffe ich auch, unterhaltsam. Und so ein bisschen für mehr Verständnis dieses politmedialen Systems in der Bevölkerung zu sorgen.
exxpress: Der exxpress konnte schon einen Blick in das Buch machen, sie schreiben über ihre sieben Erkenntnisse. Welche dieser Erkenntnisse ist für sie am prägendsten.
Gerald Fleischmann: Ich weiß nicht, ob das jetzt nicht ein bisschen zu philosophisch ist. Ich erkläre das in diesem Buch mit Albert Einstein. Ich glaube, das Wichtigste in einer Demokratie zu begreifen ist, dass sich viele subjektive Wahrheiten, die jeder für sich hat, wie er die Welt sieht, gemeinsam organisieren. Eine objektive Wahrheit, die sich auch ständig verändert. Es ist anders in einer Diktatur oder in einem Gottesstaat. In der Diktatur sagt einer, was wahr ist. Und in einem Gottesstaat wird es von einem höheren Wesen vorgegeben. Mit der Demokratie erkämpfen und erstreiten sich die subjektiven Wahrheiten ihre objektive Wahrheit. Das zu begreifen ist, glaube ich, für einen Akteur wie einen Politiker und einen Journalisten oder einen Presseverantwortlichen in diesem medialen System, wichtig.
exxpress: Zurück zur Message Control. Warum ist es denn so wichtig, dass man in der Politik genau weiß, was wird denn jetzt berichtet oder wie? Welche Infos lasse ich an die Medien, welche lasse ich an die Bevölkerung durchkommen?
Gerald Fleischmann: In dem Buch wird auf jeden Fall behandelt, wie die Politik steuert, welche Nachrichten an die Medien gegeben werden und wie auch die Medien entscheiden, welche Nachrichten dann an die Bevölkerung weitergegeben werden und wo in diesem ganzen Spiel die Wahrheit bleibt.
Und das ist eben das, was ich meine, dass dieses Buch ein Versuch ist, einen transparenten Blick hinter die Kulissen zu gewährleisten, zu zeigen, wie dieses System funktioniert, dass die Menschen arbeiten, dass da Fehler passieren, warum manches Mal manches so entschieden wird, wie es entschieden wird und es damit auch verständlich und begreifbar zu machen. Und ehrlicherweise auch, dass es eigentlich fast alternativlos ist, wenn wir in einer Demokratie leben wollen. Weil, wie gesagt, in einer Diktatur wird es anders ausschauen.
Das Buch von Gerald Fleischmann ist jetzt im Handel
exxpress: Ihr Buch Message Control ist jetzt im Handel, mit vielen Anleitungen und Tipps und geheimen Kniffen, wie es auch hinten am Buchband draufsteht. Sie sagen, es ist für die breite Masse. Ist es denn überhaupt g’scheit, dass Sie allen ihre geheimen Kommunikations-Tricks und Kniffe offenbaren?
Gerald Fleischmann: (schmunzelt) Ja, diese Frage stelle ich in diesem Buch selbst durchaus auch selbstkritisch. Aber ich glaube, wenn man in ein System, das ein bisschen verdunkelt ist, mehr Helligkeit bringt, dann ist es eigentlich in der Regel immer was Gutes. Und daher habe ich mich dazu entschieden, das zu machen.
Kommentare