
Grasser-Prozess: Finale eines Mammutverfahrens – kommt die spektakuläre Wende?
Wird das Urteil kippen? Die Causa BUWOG geht in die letzte Runde: Vor dem Obersten Gerichtshof (OGH) fällt die Entscheidung über Karl-Heinz Grasser und seine Mitangeklagten. Eine spektakuläre Wende ist nicht ausgeschlossen – ein Verfahrensfehler könnte das Urteil zu Fall bringen. Es geht um Millionen, um jahrelange Ermittlungen und die Glaubwürdigkeit der Justiz.

Der Andrang im Großen Saal des Obersten Gerichtshofs (OGH) ist groß – so groß, dass sich das Höchstgericht dazu entschieden hat, die üblichen Touristenströme im Justizpalast einzudämmen. “Der Justizpalast ist heute für Besichtigungen gesperrt”, hieß es am Morgen auf einem Schild beim Eingang.
Ein Verfahren mit enormer Sprengkraft
Es ist ein besonderer Tag, selbst für ein Höchstgericht: Um 10 Uhr hat das Verfahren zur Causa BUWOG rund um die Privatisierung der Bundeswohnungsgesellschaften begonnen. Auch die Verfahrensstränge Terminal Tower Linz und Telekom stehen auf der Agenda. Das letztinstanzliche Verfahren könnte einen Schlussstrich unter die größte Korruptionscausa der Zweiten Republik ziehen. Neben zahlreichen Medienvertretern hatten sich im Vorfeld auch viele Privatpersonen angemeldet, die diese Verhandlung verfolgen wollen.
20 Jahre! Scharfe Kritik an Verfahrensdauer
Strafrechtsexperte Robert Kert kritisierte in der “ZiB 2” am Mittwoch die enorme Dauer des Verfahrens und bezeichnete sie als “für alle Beteiligten unzumutbar”. Die österreichische Strafprozessordnung sei so gestaltet, dass jedes Detail ermittelt werden müsse, was zu unerträglichen Verzögerungen führe. Als Vergleich zog Armin Wolf das Wirecard-Verfahren in Deutschland heran, wo es von den ersten Ermittlungen bis zur Anklage nur gut zwei Jahre gedauert habe – während es in der Causa BUWOG acht Jahre waren. Kert forderte daher Vereinfachungen in der Verfahrensordnung, damit sich derartige Prozesse künftig nicht endlos in die Länge ziehen.
Grasser und Co.: Es geht um alles
Für die Angeklagten rund um den früheren Finanzminister Karl-Heinz Grasser, die Lobbyisten Walter Meischberger und Peter Hochegger sowie den einstigen Vorstandschef der Immofinanz, Karl Petrikovics, steht viel auf dem Spiel. Von einem Schöffensenat am Straflandesgericht Wien wurde Grasser im Dezember 2020 nach einer drei Jahre dauernden Hauptverhandlung zu acht Jahren, Meischberger zu sieben und Hochegger zu sechs Jahren Haft verurteilt. Der Senat unter Vorsitz von Richterin Marion Hohenecker sah Grasser der Untreue, der illegalen Geschenkannahme und der Beweismittelfälschung schuldig.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, die Anwälte haben Rechtsmittel eingelegt. Der OGH-Richtersenat hat vier Verhandlungstage anberaumt – bis spätestens Dienstag soll eine Entscheidung fallen.
Wie alles begann: Die BUWOG-Privatisierung
Die Affäre reicht weit zurück. In der Ära von Kanzler Wolfgang Schüssel, der sich dem Motto “Mehr privat, weniger Staat” verschrieben hatte, wurde 2004 unter der Ägide von Finanzminister Grasser der Verkauf von 62.000 Bundeswohnungen abgewickelt. Die Wohnbaugesellschaften, darunter auch die BUWOG, gingen an das sogenannte Österreich-Konsortium, bestehend aus Raiffeisenlandesbank OÖ, Wiener Städtischer und Immofinanz. Es bot 961 Millionen Euro und überbot die Zweitbieterin CA Immo um nur eine Million. Diese lag in der ersten Bieterrunde noch vorn, wurde jedoch in der zweiten, zunächst ungeplanten Runde überholt.
Ein Zufallsfund bringt alles ins Rollen
Die Ermittlungen begannen 2009 nach einem Zufallsfund im Rahmen der Causa Immofinanz. Damals entdeckten Ermittler Geldströme in Höhe von 9,6 Millionen Euro nach Zypern, die sich als Provision für den BUWOG-Deal entpuppten. 2017 brachte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) dann ihre Anklageschrift ein.
Eine Seilschaft rund um Grasser soll einen “Tatplan für parteiliche Entscheidungen” bei Privatisierungen entworfen und sich bereichert haben. Die Provision hätten sich Hochegger, Meischberger und Grasser aufgeteilt; der Tipp Grassers über die Angebotshöhe der CA Immo soll über Meischberger an das Österreich-Konsortium gelangt sein. Die Angeklagten wiesen diese Vorwürfe stets zurück, Hochegger legte vor Gericht ein Teilgeständnis ab.
Die Spannung steigt: Gibt es eine spektakuläre Wende?
Heute stehen die Rechtsmittel im Mittelpunkt. Die Verteidiger haben ihre Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen vorgetragen. Auch eine Berichterstatterin der Generalprokuratur kam zu Wort – sie empfahl, das Urteil in den Kernfragen zu bestätigen, sprach sich jedoch für eine Aufhebung der Verurteilung Grassers wegen Beweismittelfälschung aus. Die Entscheidung könnte bereits am Freitag oder Montag fallen.
Für Aufsehen sorgte eine Entscheidung des OGH kurz vor dem Prozessbeginn. Das Höchstgericht übermittelte Grassers Verteidigern einen fünf Jahre alten Einstellungsbeschluss des Wiener Straflandesgerichts zur Kenntnisnahme. In diesem Beschluss wurde eine zentrale Anklage gegen Grasser verworfen: Der Vorwurf, er habe durch den Paketverkauf der Bundeswohnungen den Erlös für die Republik geschmälert und damit einen Schaden von 35 Millionen Euro verursacht, wurde als unbegründet eingestuft. Sollte dieser bereits eingestellte Vorwurf dennoch in das erstinstanzliche Urteil eingeflossen sein, wäre das ein klarer Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot – mit weitreichenden Folgen.
OGH am Zug: Urteil oder Neubeginn?
Die Möglichkeit einer spektakulären Wende steht im Raum. Falls der OGH zu dem Schluss kommt, dass das Urteil auf unzulässigen Prämissen basiert, könnte es aufgehoben werden. Dann würde der gesamte Prozess neu aufgerollt werden müssen. Falls nicht, könnte Grasser bald seine Haft antreten müssen. Es wird sich entscheiden, ob dieses Mammutverfahren tatsächlich zu einem Ende kommt – oder ob die Causa BUWOG ein weiteres Kapitel erhält.
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