
„Grasser-Prozess zerstört Vertrauen in die Justiz“: Ex-Presse-Chef rechnet ab
Der Grasser-Prozess? Ein Justiz-Desaster, sagt Ex-Presse-Chef Andreas Unterberger. Er rechnet ab – mit den Richtern und einem endlosen Verfahren. Der OGH habe das Urteil vor allem deshalb bestätigt, um den größten Justizskandal der vergangenen 40 Jahre zu verhindern. Doch damit habe er das Vertrauen in die Justiz zerstört.

Zum „Trauerspiel der Justiz“ sei der elendslange Prozess gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser geworden, klagt Andreas Unterberger auf seinem Blog das-tagebuch.at. Rechtlich sei die Sache eigentlich klar: Der Oberste Gerichtshof (OGH) hätte das Urteil der ersten Instanz aufheben müssen – tat es aber nicht.
OGH wollte Justiz-Skandal vermeiden
Laut Unterberger hätte der OGH einräumen müssen, dass die erstinstanzliche Richterin Marion Hohenecker nie über Grasser urteilen hätte dürfen. Doch damit hätte er „den größten Justizskandal der letzten 40 Jahre“ ausgelöst – und genau das wollte man offenbar um jeden Preis vermeiden.
„Das war ihre innere Hauptmotivation“, urteilt der frühere „Presse“-Chefredakteur. Der Preis dafür: massiver Vertrauensverlust in die Justiz.

Schuldspruch trotz fehlender Beweise
Schon im ersten Verfahren sei Grasser ohne Beweise verurteilt worden, kritisiert Unterberger. Die Anklage habe nie belegen können, woher Grasser die Angebotshöhe der knapp überbotenen Partei im BUWOG-Verfahren gekannt haben soll. Der Ex-Minister beteuerte vor dem OGH erneut: „Ich habe keinen Geheimnisverrat begangen.“

Befangenheit? Ehe-Tweets sprechen Bände
Hohenecker ist laut Unterberger aufgrund ihres Ehemanns offenbar befangen gewesen: Der Richter Manfred Hohenecker hatte 2015, vor Prozessbeginn, vier hasserfüllte Tweets gegen Grasser und die ÖVP abgesetzt. Wer will schon Angeklagter in einem Prozess sein, wenn man vom Ehepartner der Richterin gehasst wird. Die Optik ist verheerend – und genau darum geht es im Rechtsstaat: um den Anschein von Befangenheit.
Unterberger schlussfolgert: Jeder unvoreingenommene Mensch müsse erkennen, dass Marion Hohenecker bei der Beweiswürdigung nicht mehr neutral sein konnte. „Sie wollte garantiert keinen ehelichen Konflikt riskieren.“ Das Argument, sie sei mit den Aussagen ihres Mannes nicht einverstanden gewesen, lässt der prominente Journalist nicht gelten. Hätte sie das Ansehen der Justiz schützen wollen, hätte sie den Fall abgeben müssen – vermutlich auf die Gefahr hin, ihre Ehe zu belasten.

OGH mitschuld an überlanger Verfahrensdauer
Bereits früher habe Hohenecker laut Unterberger einen ehemaligen FPÖ-Politiker auffallend unfair behandelt. Beim Grasser-Verfahren habe der OGH nun möglichst rasch „den Deckel draufmachen“ wollen. Auch wegen der überlangen Verfahrensdauer von 16 Jahren wegen einer mutmaßlich vor 21 Jahren begangenen Tat, sei der Skandal bei einer Aufhebung des Urteils besonders groß geworden.
Die Verantwortung für die lange Zeitspanne liege unter anderem auch beim OGH: „Sie haben fünf Jahre seit der ersten Instanz vergehen lassen.“ Für Unterberger ist das „Folter“ – fast so schlimm wie eine Haftstrafe. Der Begriff „Folter“ sei deshalb gerechtfertigt.
Standesdünkel statt Rechtsstaat
Besonders besorgniserregend: Der Fall habe gezeigt, dass in der Justiz Standessolidarität oft wichtiger sei als Objektivität. „Rechtsstaat existiert nur, wenn Richter auch bereit sind, sich gegenseitig weh zu tun“, warnt Unterberger. Genau das sei hier nicht geschehen.
Reduktion des Strafmaßes wirft neue Fragen auf
Verwirrend sei zudem die drastische Reduktion des Strafmaßes von acht auf vier Jahre. Für Unterberger ein Hinweis auf ein „schlechtes Justizgewissen“. Beobachter müssten sich nun fragen: „Wird bei Strafgerichten gewürfelt? Oder beweist nicht gerade die absurde Höhe der Erststrafe, dass die Richterin voreingenommen war?“
Es drohen Zustände wie in der Türkei und in Russland
Unterberger warnt zum Schluss eindringlich: Wird das Vertrauen in den Rechtsstaat verspielt, sei der Weg frei für autoritäre Tendenzen. „Dann haben die Feinde der Demokratie freie Bahn“ – wie in der Türkei oder in Russland.
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