Inseraten-Affäre: Justiz will in elektronischen Daten von 100 Regierungsmitarbeitern schnüffeln
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) sucht weiterhin nach Anhaltspunkten für ihre Verdächtigungen gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz. Nun will sie in unzähligen elektronischen Daten von Mitarbeitern des Bundeskanzleramts und der früheren Regierung herumwühlen.
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) will in der ÖVP-Inseratenaffäre die elektronischen Daten von Duzenden Mitarbeitern des Bundeskanzleramts öffnen. Es sollen die E-Mail-Postfächer, Office-Dokumente (oder sonstige Co-Working-Spaces), persönlich zugeordnete Laufwerke inklusive Backups und Sicherungskopien von sämtlichen Mitarbeitern des BKA von Dezember 2017 bis Oktober 2021 im Bereich Öffentlichkeitsarbeit und strategischer Kommunikation sichergestellt werden. Das geht aus einer Anordnung hervor.
Alle Mitarbeiter betroffen, die für Informationstätigkeit zuständig sind
Doch das ist noch nicht alles. Betroffen sind auch alle Mitarbeiter im Bereich der Informationstätigkeit der Bundesregierung (insbesondere Informationsinitiativen, Mediaplanung – und Budget), im Kabinett, die für die beiden genannten Bereiche zuständig waren, samt jeweils allfällig zugeordneter Teamassistenten und Büromitarbeiter. Insgesamt dürften schätzungsweise an die 100 Personen von den Durchsuchungen erfasst sein.
Kurz-Anwalt: "Weil man nichts gefunden hat, muss man immer weiter graben"
Die Staatsanwaltschaft argumentiert ihr Ansinnen damit, dass frühere enge Mitarbeiter von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) massenhaft Emails gelöscht und ihre Handys getauscht hätten und nun möglicherweise Beweismaterial fehlt.
Kurz-Anwalt Werner Suppan sieht diesen Schritt als weiteres Zeichen dafür, “dass die Ermittlungen der WKStA bisher nicht Vorwerfbares zutage gebracht haben”. Er ist sich sicher: “Weil man nichts gefunden hat, muss man immer weiter graben. Die WKStA wird aber auch hier nichts finden, weil sich niemand etwas zuschulden hat kommen lassen.”
Allerdings hat die WKStA in der Vergangenheit schon aufgrund von Zufallsfunden neue Verdachtsmomente konstruiert.
Top-Jurist erstellt vernichtendes Gutachten über die Anordnung der WKStA
Das Vorgehen der WKStA in der Causa ist hochumstritten. “Von einer konkreten Verdachtslage in Bezug auf die Person des Sebastian Kurz kann keine Rede sein”, hat der Strafrechtsprofessor DDr. Lewisch (Universität Wien) in einem Gutachten festgehalten.
Die WKStA verdächtigt Sebastian Kurz in seiner Zeit als Außenminister die Durchführung einer geschönten Meinungsumfrage beauftragt zu haben, die danach in der Tageszeitung “Österreich” platziert wurde. Dafür sollen missbräuchlich Budgetmittel des Finanzministeriums verwendet worden sein. Bis heute fehlen dafür Beweise.
WKStA will bei Durchsuchungen keine Einschränkung auf konkrete Personen
Nun hofft die WKStA durch die Sicherstellung Tausender weiterer Daten über Umwege “Informationen über die Auftragsvergaben und die Verwendung der Ergebnisse der Umfragen in der Öffentlichkeitsarbeit” gewinnen zu können. “Eine Einschränkung auf konkrete Personen ist mangels Kenntnis der konkreten Strukturen und Zuständigkeiten sowie operativen Abläufen innerhalb des umfangreichen Mitarbeiterstabs nicht möglich.”
Die WKStA hält die Schuld der Verdächtigten – für sie gilt die Unschuldsvermutung – anscheinend für mehr oder weniger erwiesen. Sie schreibt nämlich in ihrer Begründung: Schon jetzt zeige sich, dass “die Beschuldigten im Zuge der Umsetzung ihres Tatplanes per E-Mail oder mittels Chatnachrichten kommunizierten”. Die erforderliche Beweiserhebung sei auf andere Weise nicht möglich, “weil die Beschuldigten großflächige Löschungen von ihren elektronischen Daten vorgenommen haben”.
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