Nach dem Terroranschlag in Villach fordert Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) neue Gesetze, etwa eine „anlasslose Massenkontrolle“ von Flüchtlingen aus Syrien oder Afghanistan. Ein langjähriger Insider der heimischen Sicherheitsbehörden bekommt angesichts solcher Wortspenden einen „dicken Hals“, der allmählich zum „Dauerzustand“ werde, wie er bekennt. Seine Kritik: Viele Gesetze gibt es längst – sie werden nur nicht angewendet. Der langjährige Kenner sieht eine „Überforderung“ der Politik, von der mit solchen Forderungen offenbar abgelenkt werden soll.

Anlasslose Überwachung von Fremden längst möglich

Die von Karner geforderte Überwachung bestimmter ethnisch definierter Zielgruppen könnte tatsächlich an rechtlichen Hürden scheitern, denn laut Verfassungsjurist Heinz Mayer verbietet die Verfassung eine solche Diskriminierung. Doch alles sei nicht so kompliziert, wenn die bestehenden Gesetze nur angewendet würden, sagt der Insider. Denn eine „anlasslose“ Überwachung von Ausländern, etwa zur Aufenthaltskontrolle, sei rechtlich längst möglich. Man müsse es nur wollen.

Die Polizei kann mehr, als sie tut, kritisiert ein jahrzehntelanger Kenner und Security-Insider.APA/FLORIAN WIESER

Der Insider verweist auf das Fremdenpolizeigesetz (FPG), wo es bei § 6(6) heißt: „Für keinen Aufschub duldende Maßnahmen und Maßnahmen zur Kontrolle (sic!) der Rechtmäßigkeit der Einreise, des Aufenthalts und der Ausreise ist die Landespolizeidirektion zuständig, in deren Sprengel sich der Fremde aufhält oder über deren Sprengel der Fremde nach Österreich ein- oder ausreisen will.“

Innenminister müsste fremdenpolizeiliche Kontrollen bei Sammelpunkten anordnen

Der Experte wörtlich: „Man nennt das üblicherweise ‚fremdenpolizeiliche Kontrolle‘, die man zum Beispiel an Orten durchführt, die als Unterkünfte, ‚Sammelpunkte‘, etc. von Fremden erkannt sind. Das könnte man dann gemäß der sozialwissenschaftlichen Definition von Masse (eine große Ansammlung von Menschen) als ‚Massenüberprüfung‘ bezeichnen. Der Innenminister müsste also lediglich anordnen, bestehendes Recht zu exekutieren.“

Fremdenpolizeiliche Kontrollen an Sammelpunkten sind jederzeit möglich.APA/HERBERT P.OCZERET

Anstatt sich hier auf jahrelange Debatten über neue Gesetze einzulassen, sollte der Innenminister endlich bestehende Möglichkeiten ausschöpfen.

Nachrichtendienst hätte Radikalisierung auf TikTok beobachten können

Darüber hinaus erneuerte der Innenminister die alte ÖVP-Forderung nach Einführung einer Messenger-Überwachung. Tatsächlich ist Österreich in diesem Bereich bisher auf ausländische Dienste angewiesen – wegen bestehender rechtlicher Hürden. Dass die Überwachung im konkreten Fall etwas gebracht hätte, bezweifelt der Sicherheitsexperte allerdings. Auch hier müsse man sich eher fragen, warum die heimischen Dienste ihre bestehenden Möglichkeiten nicht genutzt haben.

Messenger-Dienste kann man in Österreich zurzeit nicht überwachen – aber TikTok-Aktivitäten schon.GETTYIMAGES/dem10

Der langjährige Kenner berichtet: „Das aktuelle Verbrechen in Villach ist ein noch untauglicheres Beispiel für die Begründung der Messenger-Überwachung als der Verweis auf Taylor Swift-Konzerte im Sommer. Der Attentäter hat sich laut Medien auf TikTok radikalisiert. Von einem (Inlands-)Nachrichtendienst darf erwartet werden, dass er sich auf dieser unverschlüsselten Plattform in den relevanten Bereichen bewegt. Hierzu braucht es lediglich das für ‚Dienste‘ namengebende ‚intelligence work‘.“

Fazit: „Wenn Überforderung eintritt – im gegenständlichen Fall ist das offenbar ein Dauerzustand –, ruft man vor laufender Kamera wieder einmal nach neuen Rechtsgrundlagen, die gar nicht geschaffen werden müssen, weil sie seit Jahren und Jahrzehnten bereits vorhanden sind. No na! Sie gehören nur angewandt!“