
Islam-Theologe prangert muslimische Ideologie des Hasses an
Ein islamischer Theologe rechnet in seinem neuesten Buch mit radikalen Glaubensbrüdern, insbesondere unter den Palästinensern, und der mit diesen sympathisierenden Linken ab, räumt mit dem Mythos vom toleranten Islam auf und analysiert den tief im Islam wurzelnden Antisemitismus.

Abdel-Hakim Ourghi träumt von einem liberalen Islam. Einen solchen versucht der Leiter des Fachbereiches Islamische Theologie und Religionspädagogik an der Pädagogischen Hochschule Freiburg (Baden-Württemberg) seinen Studenten zu vermitteln. Und wird dafür von Muslimen, vor allem den islamischen Verbänden, angefeindet.
Verbannte Bücher
Seine Bücher, zum Beispiel „Ihr müsst kein Kopftuch tragen – Aufklären statt Verschleiern” (Claudius-Verlag), sucht man in der Viyana Kitabevi (deutsch: Wiener Buchhandlung) der ATIB-Union ebenso vergeblich wie beim Milli-Görüs-Verlag Plural Publications. Ein vor vier Jahren gestarteter Versuch des Sunnitischen Schulrates in Baden-Württemberg, Ourghi die Lehrbefugnis zu entziehen, ist mittlerweile gescheitert.
Islamophober Muslim
Sein neuestes Buch wird seine Gegner nicht milder stimmen. In „Liebe zum Hass – Israel, 7. Oktober 2023″ analysiert Ourghi ausgehend vom Oktober-Massaker der Hamas den israelisch-palästinensischen Konflikt aus einer ungewohnten muslimischen Perspektive. Zu deren Bekämpfung hat der politische Islam die Islamophobiekeule erfunden. Wer auch immer Kritik am Islam zu üben wagt, wird als „islamophob” abgestempelt, oft versehen mit dem Zusatzattribut „rassistisch”. Dieses Kainsmal blüht auch ketzerischen „Muslimen”. So wurde der aus Algerien stammende Professor samt anderen Liberalen wie Mouhanad Khorchide oder Hamed Abdel-Samad schon einmal in einem von der türkischen SETA-Stiftung herausgegebenen Islamophobie-Report gelistet.

Unheilige Allianzen
Ourghis „Islamophobie” resultiert aus seiner in islamistischen Kreisen verpönten Lust am Kehren vor der eigenen Tür. So sieht er im Islamismus „unter anderem das Produkt der kanonischen Quellen des Islam, deren Grundsätze für die Verwirklichung des Heiligen Kriegs verfeinert wurden“. Das sitzt. Aber er hält nicht nur Muslimen gnadenlos den Spiegel vor, sondern auch Nicht-Muslimen, die aus vielerlei Gründen jegliche Konfrontation mit Muslimen scheuen. Seine Kritik gilt „unheiligen Allianzen”, die sich nach 10/07 zwischen, wie er schreibt, „islamischen Antisemiten und großen Teilen der politischen Linken, der Kulturszene und des akademischen Betriebes“ gebildet haben. Das ergebe „eine bequeme Konstellation für viele Muslime, die den fatalen Effekt hat, sie an Selbst- und Kulturkritik zu hindern“.
Gelungener PR-Coup
Auch Ourghi kann sich nur wundern, warum die Doppelstrategie der offiziellen Islam-Vertreter so einfach funktionieren kann. „Denn nur nach außen hin besteht in den Verbänden das Bestreben, die Erwartungen der Mehrheitsgesellschaft, wie sie etwa von der Politik oder beiden Kirchen formuliert werden, im Kampf gegen den Antisemitismus zu erfüllen”, schreibt Ourghi. Tatsächlich hielten die Imame und Wortführer der muslimisch-konservativen Dachverbände die Hamas für eine Befreiungsbewegung und den Kampf, den sie – nach eigenen Angaben – führt, für legitim. Der Autor warnt: „Je länger wir den islamischen Antisemitismus verschweigen und zu verdrängen versuchen, desto gefährlicher wird er.”
Momentan entsteht jedoch der Eindruck, als würde Israel vielerorts als die größere Gefahr betrachtet. Denn beim Versuch, Israel zu isolieren, haben sich, so Ourghi „der 7. Oktober und seine Folgen als traurige Erfolgsgeschichte erwiesen“. Israels Selbstverteidigung sei ins Zwielicht gerückt. Was im Fall anderer Länder eine Selbstverständlichkeit sei, gelte offenkundig nicht für Israel, dessen Verteidigung viele zum schicksalhaften Fehler erklärten. Die Hamas habe es „erfolgreich geschafft, mit den Gefühlen der Weltgemeinschaft zu spielen“.
Schulen des Hasses
Umso wichtiger ist es, dass da einer mit selbst erlebter Indoktrinationsgeschichte die Hamas-Gräueltaten nicht nur noch einmal drastisch nachzeichnet, sondern vor allem mit dem Wissen des Islam-Theologen die religiösen Wurzeln dieser Misere aufzeigt. Schon in seinem vor zwei Jahren erschienen Buch „Die Juden im Koran – ein Zerrbild mit fatalen Folgen” hat er seine in Algerien erfahrene Sozialisation zum Antisemiten beschrieben: Schon als Kind sei ihm eingetrichtert worden „das der Jude der ewige Feind der Muslime ist”. Das Ergebnis: „Mit 23 Jahren kam ich als indoktrinierter Antisemit nach Deutschland.” Die Erziehung von Kindern zu Antisemiten ist kein rein algerisches Phänomen, sondern weit verbreitet in der arabischen Welt.
Diese Schulen des Judenhasses betrachtet Ourghi als ein Grundübel des israelisch-palästinensischen Konfliktes: „Schon als Kinder haben die Hamas-Terroristen des 7. Oktober in den Kindergärten und Schulen von Gaza mit Spielzeugwaffen gespielt. … Bereits als kleine Kinder theatralisch als Kämpfer gegen die Juden in Szene gesetzt, wurden sie als Erwachsene zu realen Massenmördern.” Auch die Terroristen seien demnach Opfer einer Kultur des Hasses.
Mohammeds Zorn
Angesichts der weit verbreiteten Romantisierung der Hamas als eine gegen angebliche Kolonisatoren kämpfenden Befreiungsbewegung kann Ourghis aufklärenden Worten nicht genug Bedeutung beigemessen werden. Dies umso mehr, als er die religiösen Triebkräfte des Terrors in einer Weise offenlegt, die im innermuslimischen Diskurs, sofern es einen solchen überhaupt gibt, kaum Beachtung findet. Der Theologie-Professor räumt auf mit der auch hierzulande von Islam-Funktionären gern verbreiteten Mär, wonach der Terror nichts mit dem Islam zu tun habe. Er schreibt bewusst vom „islamischen” und nicht vom „islamistischen” Antisemitismus.
Mär von der Toleranz
Dabei verschweigt er nicht den christlichen Beitrag zum islamischen Antisemitismus und den Export des nationalsozialistischen Judenhasses in den arabischen Raum, aber er beschreibt auch, warum die Saat dort auf einen derart fruchtbaren Nährboden fallen konnte: „Judenhass gehört von Anfang an zur Geschichte des Islam.” Der Prophet Mohammed war enttäuscht, weil die Juden in Medina nicht zu seinem neuen Glauben konvertieren wollten – und erklärte sie zu ewigen Widersachern des Islam.
Die türkische Religionsbehörde DIYANET, deren Einfluss auf Muslime auch hierzulande beträchtlich ist, vertritt diesen Grundsatz noch heute und warnt vor Freundschaften mit Juden (und Christen). Die hochgepriesene angebliche Toleranz des Islam gegenüber den Juden unter muslimischer Herrschaft ist für Ourghi „ein Mythos”. Eine grundlegende Revision der romantisierenden Vorstellung vom toleranten Islam erscheint ihm „notwendiger und dringender denn je”.
Erlaubte Vergewaltigung
Ganz konkret am Beispiel der Vergewaltigungen von (jüdischen) Frauen durch Hamas-Terroristen analysiert Ourghi die fatale Wirkung historischer, keinem aufklärerischen Relaunch unterzogenen Glaubensquellen. So bekräftigt eine 2010 (!) in Nablus (Westjordanland) erschiene wissenschaftliche Schrift, dass der Islam „die Operationen der ‚saby‘ (Gefangennahme von Sexsklavinnen) erlaubt, die die Eroberungszüge der Muslime immer begleiteten”. Sich auf Koransure 4, Vers 3, berufend schrieb der Autor Sadi Ibrahim: „Die Rechtsgelehrten und die Korankommentatoren verstehen unter dem Ausdruck malakat al-yamin (arabische Umschreibung für Sklaven und Kriegsgefangene, Anm.), dass der Muslim Geschlechtsverkehr mit den Sklavinnen machen darf, wie er will.“
Das sehen natürlich nicht alle Muslime so. Sami al-Qusami etwa erklärte die Sure 4, Vers 24, die Muslimen im Krieg die Vergewaltigung sogar von verheirateten Frauen erlaubt, für unzeitgemäß. Doch die von Ourghi beschriebene Realität ist oft eine andere: Im vergangenen Oktober rettete die israelische Armee im Gazastreifen eine junge jezidische Frau, die 2014 als Elfjährige von Terroristen des Islamischen Staates (IS) verschleppt und an einen Hamas-Extremisten verkauft worden war.

Hassen hilft
Der Theologe mit antisemitischer Selbsterfahrung erforscht das Phänomen des Hasses mit Anleihen bei Sigmund Freud. Für diesen war der christliche Judenhass „im Grunde Christenhass“, resultierend aus einer „Eifersucht auf das Volk“, das sich als auserwählt betrachtet. Auch der Islam ist im siebten Jahrhundert in einem Konkurrenzverhältnis zum Judentum entstanden. Im Judenhass verberge sich in Wahrheit ein ererbter und verwandelter Selbsthass, schlussfolgert Ourghi und verweist auf die existenzielle Bedeutung des Hasses: Es brauche Feinde, um die Einheit der eigenen Gemeinde zu stärken und zu bewahren. Ourghi geht so weit zu schreiben, „ohne den Hass auf Juden und den Staat Israel sind sind die Muslime nicht überlebensfähig“.
Der Judenhass helfe dabei, die Ursachen und Strukturen der eigenen, hausgemachten Krise(n) zu verdrängen und sich mit desolaten wirtschaftlichen Verhältnissen und dem unfreien Leben unter Militärdiktaturen zu arrangieren. Der gemeinsame Feind und die ebenfalls kultivierte Opferrolle mildern sogar islamische Schismen. Ein Beispiel dafür sind Iran und Katar: Der schiitische Mullahstaat und das sunnitische Golfemirat sind einander spinnefeind, doch in ihrer gemeinsamen Feindschaft gegenüber Israel finden beide als maßgebliche Unterstützer der Hamas zusammen.
Zweistaaten-Illusion
Vor diesem Hintergrund nur konsequent erklärt Ourghi das nahostpolitische Mantra auch hiesiger Politiker für realtitätsfremd. Die Zweistaatenlösung wird von einer Mehrheit der Palästinenser vehement ablehnt. Ihr Ziel ist die Etablierung eines palästinensischen Staates „from the river to the sea“, also zwischen Jordanfluss und Mittelmeer, womit für einen Staat Israel kein Platz mehr bliebe. Dieser Slogan taucht übrigens auch auf Palästina-Kundgebungen in Österreich immer wieder auf. In Kapitel 6 der Hamas-Charta von 1988 ist unmissverständlich das Ziel festgeschrieben, „das Banner Allahs über jedem Zentimeter Palästinas(zu) hissen. Und: „Für das palästinensische Problem gibt es keine Lösung außer dem Heiligen Krieg. Initiativen, Resolutionen und internationale Konferenzen sind reine Zeitverschwendung.“

Zweifel an der Gültigkeit dieser Zielsetzung sind nicht angebracht. Kurz nach dem Hamas-Angriff im Oktober 2023 erklärte Hamas-Politbüromitglied Gazi Ḥamad: „Israel ist ein Land, das keinen Platz auf unserem Boden hat. … Die Operation ‚Sintflut Jerusalems‘ ist nicht die erste, es wird eine zweite, dritte und vierte geben.“
„Außer der Zerstörung Israels und der Vertreibung der Juden scheinen sie keine Visionen zu haben"
Gibt es dann überhaupt eine Lösung? Die Schwachstelle dieses Buches ist die Schwachstelle aller nahostpolitischen Analysen: Auch Ourghi hat kein Ei des Kolumbus zu bieten. Obwohl er das Selbstverteidigungsrecht Israels nicht infrage stellen will, muss aber auch er konstatieren: „Kein Krieg im Nahen Osten hat mehr gebracht als weitere Kriege.” Also schließt er sich dem deutsch-israelischenPhilosophen Omri Boehm an, der „die wahren israelischen Patrioten” aufgerufen hatte, „zionistische Tabus auf den Prüfstand stellen und den Mut (zu) haben, uns einen Umbau des Landes vorzustellen: vom jüdischen Staat in eine föderale, binationale Republik“. Das wiederum setzt allerdings voraus, was nicht nur Ourghis Wunschtraum ist: Die Palästinenser müssten erkennen, „dass sie nur, wenn sie aus der fatalen Logik des ‘Entweder-oder‘ herausfinden, die Chance auf eine Zukunft haben“. Darauf deutet freilich nichts hin. Der Freiburger Theologe glaubt dennoch fest, „dass es möglich ist, die Schönheit im anderen zu erkennen, dass es möglich ist, die Kräfte für den Frieden zu vereinen … in einem gemeinsamen Land das Israel heißt”.
Ourghis Wort in Allahs Ohr!

„Liebe zum Hass” – Abdel-Hakim Ourghis schonungslose Abrechnung mit seinen extremistischen Glaubensgenossen, erschienen im Claudius-Verlag,
224 Seiten, 24 Euro,
ISBN: 978-3-532-62906-2
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