„Jahr der Abschiebungen“? Fast keine Syrer und Afghanen
Als „Jahr der Abschiebungen“ hat Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) 2023 gepriesen. Die Opposition wirft ihm seither eine Irreführung der Öffentlichkeit vor. Näher besehen zu Recht: Asylwerber aus den üblichen Herkunftsländern wurden fast überhaupt nicht abgeschoben. Der „Weg einer strengen Asylpolitik“ ist nicht erkennbar.
Der eXXpress ist der Sache auf den Grund gegangen: Was hat es mit dem von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) so viel gepriesenen „Jahr der Abschiebungen“ auf sich? Der Minister hatte von seiner eigenen Politik in den höchsten Tönen geschwärmt: „Man kann mit Fug und Recht behaupten, das letzte Jahr war das Jahr der Abschiebungen.“
Social-Media-User und Opposition konnten das nicht nachvollziehen. Die SPÖ ortete „Verschleierungsspielchen“ und „Zahlentricks“, von einer „PR-Show“ sprach die FPÖ, die NEOS sahen eine „aufgeblasene Statistik der Abschiebungen“. Damit hatten näher besehen alle recht.
Von 12.900 Ausreisen nur 4750 Abschiebungen
Auf X twitterte die Volkspartei: „Im Jahr 2023 hat es so viele Abschiebungen gegeben wie noch nie zuvor. 12.900 Personen mussten Österreich verlassen, knapp die Hälfte der zwangsweise Abgeschobenen war strafrechtlich verurteilt.“
Wer sein Recht verwirkt, bei uns zu bleiben, muss gehen! Im Jahr 2023 hat es so viele Abschiebungen gegeben wie noch nie zuvor. 12.900 Personen mussten Österreich verlassen, knapp die Hälfte der zwangsweise Abgeschobenen war strafrechtlich verurteilt. Um unsere Bevölkerung… pic.twitter.com/ASC5Zq83YB
— Volkspartei (@volkspartei) March 21, 2024
Das klingt so, als wären 12.900 Personen im vergangenen Jahr abgeschoben worden – was aber nicht stimmt. Mehr als die Hälfte davon – 6910 – waren in Wahrheit freiwillige Ausreisen, und nur 5990 „zwangsweise Außerlandesbringungen“, und davon wiederum nur 4750 Abschiebungen. Das geht aus der offiziellen Statistik des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl zu entnehmen ist. Immerhin: Bei den Abschiebungen gab es gegenüber 2022 eine Steigerung von 1379, im vorletzten Jahr wurden noch 3371 Personen abgeschoben.
80 Prozent der Abschiebungen betreffen kriminelle Europäer
Diese Zahl ist angesichts der Rekord-Asylanträge der beiden vergangenen Jahre ernüchternd: 112.272 Migranten hatten im Jahr 2022 um Asyl angesucht, 59.232 waren es im Vorjahr gewesen – das sind der höchste und dritthöchste Wert in der Geschichte der Zweiten Republik nach 1956, dem Jahr des Ungarn-Aufstands.
Mit anderen Worten: In den ersten zwei Jahren seit Karner Innenminister geworden ist, haben unglaubliche 171.504 Menschen um Asyl angesucht – ein einsamer Spitzenwert. Dagegen muten 4750 Abschiebungen nach einer nicht wirklich hohen Zahl an, doch selbst die verheißt zu viel, wie sich mit Blick auf die Nationalitäten der abgeschobenen Migranten zeigt.
Knapp 80 Prozent der Abschiebungen betrafen straffällig gewordene europäische Bürger. Wenn man auf die Top 20 Herkunftsländer blickt, waren 3209 sogar EU-Staatsbürger. Ein X-User hat also Recht, wenn er Karner vorhält: „Sie haben jede Menge slowakische, ungarische und rumänische BettlerInnen abgeschoben, um mit dieser Statistik anzugeben.“
80 Prozent der Abschiebungen kriminelle Europäer
Die mit Abstand größte Anzahl an abgeschobenen Migranten bildeten Slowaken (1380), gefolgt von Ungarn (635), Serben (350), Rumänen (531), Polen (337), Tschechen (165) und Bulgaren (161). Wer unter den Top 20 nach Syrern sucht, stößt auf magere 36 Personen, wer nach Afghanen sucht, wird überhaupt enttäuscht. Im Jahr 2022 waren fünf Afghanen abgeschoben worden.
Abschiebungen von Syrern und Afghanen mit negativem Asylbescheid lassen also weiterhin auf sich warten, obwohl sie die beiden größten Gruppen unter den Asylwerbern bilden. Auch die Anträge auf Familienzusammenführung steigen hier massiv.
Erfolgsmeldungen, wie sie Karners Rede vom „Jahr der Abschiebungen“ verheißt, sehen anders aus. Vor allem eines sollte der Minister bedenken: Die Bürger werden lieber ehrlich über unerfreuliche Neuigkeiten informiert, als für dumm verkauft. Dann schenken sie übrigens auch den Ankündigungen über eine künftige, vermeintlich strenge Asylpolitik keinen Glauben.
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