Nach dem Ende der Dreierverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und Neos ist es ruhiger um die pinke Frontfrau Beate Meinl-Reisinger geworden. Doch jetzt meldet sie sich mit scharfer Kritik zurück: “Ich finde es schade, wie alles gelaufen ist. Wir wären gern Teil einer Reformkoalition gewesen. Dazu war aber weder bei der ÖVP noch bei der SPÖ der Wille da.” Stattdessen sieht sie eine zunehmende Hinwendung der Volkspartei zur FPÖ, während sich die Sozialdemokraten zu sehr nach links bewegt hätten, erklärte sie gegenüber dem “Standard”.

Die Verantwortung für eine mögliche FPÖ-geführte Regierung weist sie von sich: “ÖVP und SPÖ hätten auch ohne uns eine Mehrheit gehabt. Mir gefällt nicht, was jetzt auf uns zukommt, aber dafür sind wir Neos nicht verantwortlich.”

Die gescheiterten Koalitionsgespräche hätten gezeigt, dass nicht einmal die Sozialpartner mehr zueinanderfinden. “Nach unserem Ausstieg aus den Verhandlungen war innerhalb von 24 Stunden tot, was davor 70 Jahre funktioniert hat.”

NEOS werfen der FPÖ Sozialismus vor

Ein weiterer Punkt ihrer Kritik: die wirtschaftliche Politik der FPÖ. Die Partei, die sich stets gegen neue Steuern ausgesprochen habe, wolle nun plötzlich noch mehr Staatsausgaben und zusätzliche Abgaben. “Jetzt sind sie die Ersten, die neue Steuern fordern. Da werden auch noch jene Unternehmer erwachen, die sich der FPÖ gerade in die Arme werfen.”

Laut der pinken Frontfrau drohe der Wirtschaft eine protektionistische Politik, die den Handel einschränken und Unternehmen schaden könnte. Aus diesem Grund habe sie der FPÖ auch Sozialismus vorgeworfen.

"Wenn Demokratien keine Lösungen bieten, wenden sich Menschen ab"

Besonders große Sorgen macht Meinl-Reisinger die Zukunft des ORF unter einer möglichen FPÖ-ÖVP-Regierung. “Kickl muss das Mediensystem gar nicht umbauen wie Viktor Orbán in Ungarn. Er kann schon jetzt auf den ORF parteipolitisch einwirken. Im österreichischen Mediensystem ist der Teppich für eine autoritäre Partei schon ausgerollt.”

Die Neos-Chefin kritisiert, dass sich der ORF bereits jetzt stark von politischen Parteien beeinflussen lasse. Die Finanzierung über Inserate und staatliche Gelder führe dazu, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk leicht unter Druck gesetzt werden könne. In Kombination mit FPÖ-Ideen für einen Umbau befürchtet sie eine schleichende Gleichschaltung der Medienlandschaft. “Ich wollte beispielsweise auch einen unabhängigen ORF. Ging nicht mit ÖVP und SPÖ. Jetzt freut sich der Kickl”, so die Neos-Chefin.

Meinl-Reisinger räumt aber auch ein, dass demokratische Prozesse oft zu langsam auf Krisen reagieren – besonders in der Migrationspolitik. Sie versteht, warum viele Menschen unzufrieden sind: “Ein Großteil der Menschen in Österreich und in Europa sagt, dass es so nicht weitergehen kann.” Doch statt populistische Versprechungen zu machen, brauche es echte Lösungen. Sie setzt auf Asylverfahren außerhalb der EU und mehr Handlungsfähigkeit auf europäischer Ebene. “Das Einstimmigkeitsprinzip gehört abgeschafft.”

Kommen Neuwahlen? "Wir sind gesprächsbereit"

Ob FPÖ und ÖVP tatsächlich eine Koalition bilden werden, bleibt abzuwarten. “Es läuft jedenfalls nicht so harmonisch, wie von vielen erwartet wurde”, meint die NEOS-Chefin. Sollte das Bündnis doch noch scheitern, wären die Neos zu neuen Gesprächen bereit. “Wir sind grundsätzlich immer gesprächsbereit. Ich wüsste nicht, was Neuwahlen bringen sollen.”