Die Regierung verkündete nach dem Ministerrat das Ende des Familiennachzugs minderjähriger Syrer – „mit sofortiger Wirkung“, allerdings nicht sofort. Mehrere Kabinettsmitglieder sprachen zwar von einer umgehenden Maßnahme, doch es gibt weder ein fertiges, im Parlament beschlossenes Gesetz, noch eine unmittelbare Änderung.

Stattdessen hat der Innenminister einen Brief an die EU-Kommission geschickt. Gleichzeitig können Angehörige von Asylberechtigten in der österreichischen Botschaft in Damaskus weiterhin Nachzugsanträge stellen. Die Stopptaste wurde gedrückt – doch die Wirkung lässt auf sich warten.

(v.l.n.r.) Staatssekretär Jörg Leichtfried (SPÖ), Innenminister Gerhard Karner (ÖVP), Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) und Staatssekretär Josef Schellhorn (NEOS) nach einer Sitzung des MinisterratsAPA/HANS KLAUS TECHT

Nachhaltig! Oder doch nur vorübergehend?

In einem Punkt sind sich die Regierungsmitglieder offenbar uneins – zumindest in der Wortwahl. Innenminister Gerhard Karner spricht von einem „nachhaltigen“ Stopp. Kanzler Christian Stocker (beide ÖVP) betont hingegen, es handle sich um eine „vorübergehende“ Maßnahme. Heißt wohl: Der Stopp wird gesetzlich verankert, aber nicht dauerhaft bleiben.

„Nachhaltig“, aber „vorübergehend“ werde der Familiennachzug gelten, unterstreichen Karner (l.) und Stocker (r.).APA/HANS KLAUS TECHT

Überforderte Lehrer und Container-Klassen in Wien-Favoriten

Der Handlungsdruck ist jedenfalls hoch: In den Jahren 2023 und 2024 kamen insgesamt 18.000 Migranten über den Familiennachzug nach Österreich, darunter 13.000 schulpflichtige Kinder. Die Folge: Überfüllte Klassen, überforderte Lehrer, Container-Klassen.

Stocker: Zuzug stoppen, um angekommene Syrer zu integrieren

Stocker stellte zu Beginn der Pressekonferenz klar: „Wir haben wesentliche Beschlüsse auf den Weg gebracht und uns darauf verständigt, den Familiennachzug mit sofortiger Wirkung (!) vorübergehend (!) auszusetzen.“

Durch den bisherigen Zuzug sei das Bildungssystem bereits überlastet, nun wolle man sich auf die Integration der bereits Angekommenen konzentrieren.

Auch das Thema Jugendkriminalität spielt eine Rolle. Karner verwies auf „syrische, afghanische und tschetschenische Jugendbanden, die in manchen Städten, vor allem in Wien, aktiv sind.“

Bundeskanzler Christian Stocker (Bild): Der Stopp beim Nachzug geschehe auch im Interesse der bereits hier lebenden Syrer.APA/HANS KLAUS TECHT

Das Gesetz soll alles ändern – nur gibt es keins

Schon vor einem Dreivierteljahr habe man begonnen, den Nachzug zu reduzieren, so Karner. Das geschah unter anderem durch verstärkte Kontrollen, DNA-Tests und Dokumentenprüfer – mit Erfolg: „Im Februar 2024, vor einem Jahr, kamen knapp 1.000 Menschen über den Familiennachzug nach Österreich. Im Februar dieses Jahres waren es 60.“

Was mit den Grünen nicht durchsetzbar war, wird nun nachgeholt: ein „nachhaltiger“ Stopp per Gesetz.

Allerdings: Ein Gesetz gibt es noch nicht. Karner räumt ein, dass „gesetzliche Adaptierungen notwendig“ seien. Heißt: Das Innenministerium muss erst einen Entwurf ausarbeiten, den der Nationalrat dann beschließen muss. Bis dahin bleibt der Nachzug in der Praxis möglich.

Ein Brief nach Brüssel – und was jetzt?

Die „Tiroler Tageszeitung“ hakte nach: „Mein Verdacht: Der einzige Schritt, den Sie bisher gesetzt haben, ist ein Brief nach Brüssel. In der Botschaft in Damaskus kann weiterhin ein Antrag gestellt werden. Wann gibt es einen rechtlichen Stopp, damit auch der Beamte in der Botschaft Anträge abweisen kann?“

Karner betonte, dass „sehr rasch“ die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden sollen. Wie rasch genau? Blieb offen.

Fazit: Die Regierung stoppt den Familiennachzug – nachhaltig, aber vorübergehend. Mit sofortiger Wirkung – aber erst nach einem Gesetz.

Ein Brief nach Brüssel ist raus, die Umsetzung folgt „sehr rasch“. Wann genau? Bleibt abzuwarten.