Beim blau-schwarzen Streit um Außen- und Innenministerium gehe es „nicht um Posten“, sagt der ehemalige Nationalratspräsident Andreas Khol (ÖVP) in der ZiB2. Im Zentrum stünden „zwei Grundsatzfragen“ rund um die Europapolitik und die Geheimdienste. Das habe auch ÖVP-Chef Christian Stocker vor Beginn der Verhandlungen klar betont. Wenn Kickl das jetzt ignoriere und die ÖVP plötzlich via Facebook „vor vollendete Tatsachen“ stelle, sei das eine „Provokation“, so Khol gegenüber ORF-Moderatorin Margit Laufer.

Es gehe nicht um Jobs, sondern um Grundsatzfrage, sagt Khol gegenüber ORF-Moderatorin Laufer. ORF/ZiB2

„Wollen keine Orbán-Demokratie werden“

Traditionell koordiniere immer das Außenministerium die österreichische Europapolitik, unterstrich der langjährige Politiker. „Für die Europapartei ÖVP ist das eine ganz entscheidende Frage“. Bei Entscheidungen im EU-Rat sei die ÖVP „der Meinung, dass man gemeinsam entscheidet“. Wenn sich die beiden Regierungsparteien nicht einig seien, müsse man sich enthalten.

Im vergangenen Jahr war es Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) gewesen, die damit brach und gegen den Willen der Volkspartei im EU-Rat dem Renaturierungsgesetz zustimmte. Eine solche Situation will die ÖVP offenbar vermeiden.

Khol: Die Europapolitik ist für die ÖVP zentral, das war von Anfang an klar.ORF/ZiB2

Überdies sei die Volkspartei „misstrauisch, weil Kickl immer wieder Sympathien für Orbán gezeigt hat. Und die ÖVP will auf keinen Fall dabei sein, wenn sich Österreich zu einer Orbán-Demokratie entwickelt“.

Mit FPÖ-Innenminister von Zusammenarbeit mit anderen Geheimdiensten abgeschnitten

Beim zweiten Streitpunkt, dem Innenministerium, gehe es „in Wahrheit um die Kontrolle der Geheimdienste. Da hat man mit Kickl in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht. Und man hat auch jetzt wieder von den ausländischen Geheimdiensten, auf deren Zusammenarbeit wir angewiesen sind, erfahren, dass in dem Moment, wo die Freiheitlichen das Innenministerium besetzen, die Zusammenarbeit im sogenannten Berner Club wieder eingestellt wird“.

Mit dem „Berner Club“ wird ein informeller Zusammenschluss aller Direktoren der Inlandsgeheimdienste der EU sowie Norwegens und der Schweiz bezeichnet. Auch Israel spielte eine entscheidende Rolle, der Austausch mit dem israelischen Inlandsgeheimdienst Shin Bet und seinem Auslandspendant Mossad war stets intensiv.

Hier keine Zugeständnisse von der ÖVP

Für den ÖVP-Granden steht fest: „Ich glaube nicht, dass die Volkspartei ihre Europakompetenz aufgeben wird. Und die Volkspartei wird die Geheimdienste nicht einem freiheitlichen Innenminister zuordnen“. Das sei von Anfang an klar gewesen, wie der Bundesparteivorsitzende der Volkspartei Christian Stocker klargestellt habe.

Offen blieb die Frage, ob es ein eigenes Geheimdienstministerium geben könnte, wie es etwa in Israel existiert. In diesem Fall könnten die Freiheitlichen den Innenminister stellen, das Geheimdienstministerium wäre aber in der Hand der Volkspartei.

„Herr Kickl muss seine Machtpositionen revidieren“

Khol kritisiert das jüngste Vorgehen Kickls. Der FPÖ-Chef bestehe „auf diesen zwei Ressorts und hat damit faktisch die Europakompetenz in Anspruch genommen und die Geheimdienste.“ Eine entscheidende Rolle spiele nun Alexander Van der Bellen: „Der Bundespräsident ist, soviel ich weiß, bei den Geheimdiensten ebenso aufmerksam wie bei der Europakompetenz.”

Herbert Kickl müsse nun „seine Machtpositionen revidieren“. Die Schlüsselfrage sei: „Wann wird Herr Kickl mit der ÖVP auf Augenhöhe verhandeln und die ÖVP als gleichberechtigt ansehen? Man ist zwei Prozent auseinander. Oder er verfolgt ständig seinen Machtrausch und lässt das Projekt scheitern?“ Bis jetzt sei die ÖVP vor vollendete Tatsachen gestellt worden. „Das geht so nicht. Wenn man nicht ein gemeinsames Projekt entwickelt zwischen ÖVP und FPÖ, werden diese Verhandlungen zu keinem Ergebnis führen.“

„Wenn Kickl seine Chance verspielt, gibt es Neuwahlen“

Die Verhandlungen stehen offenbar auf der Kippe. Für den freiheitlichen Parteichef steht viel auf dem Spiel, meint Andreas Khol: „Kickl hat die einmalige Chance, jetzt Bundeskanzler zu werden. Wenn das nicht gelingt, weil sich die Volkspartei nicht ihre Würde nehmen lässt, dann hat er eine Chance verspielt, denn dann gibt es im Juni Neuwahlen und die Karten werden völlig neu gemischt, mit neuen Personen. Davor gibt es Parteitage.”

Nun müsse „ein Verhandlungsklima geschaffen werden, in dem nicht der eine den anderen vor vollendete Tatsachen stellt, etwa mit einem Facebook-Eintrag: ‚Die Ministerien gehören uns, und da fährt die Eisenbahn drüber.‘ Das ist eine Provokation. Wenn in diesem Stil weiter verhandelt wird, führt das zu keinem Ergebnis.“