"Kriminell fahrlässig": Erste Kritik in Russland am Verteidigungsminister
So scharfe Worte hat öffentlich bisher keiner in Russland gefunden: Ein bekannter Ex-Kommandant der pro-russischen Streitkräfte in der Ostukraine greift Verteidigungsminister Sergej Schoigu nun frontal an. Angesichts ausbleibender militärischer Erfolge spricht er von “krimineller Fahrlässigkeit”.
Nur zu gerne zeigt sich Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu öffentlich Seite an Seite mit Wladimir Putin. Er gehört zum inneren Zirkels des russischen Präsidenten, obwohl er weder beim KGB noch beim Militär war. Schoigu und Putin machen regelmäßig kurze Jagd- und Angelurlaube in Sibirien, was dem Verteidigungsminister direkten und ungehinderten Zugang zum russischen Präsidenten verschafft. Nun wird Putins Intimfreund erstmals öffentlich attackiert.
Der Kreml schweigt
Ein bekannter ehemaliger Kommandant der pro-russischen Streitkräfte in der Ostukraine macht Russlands Verteidigungsminister wegen ausbleibender militärischer Erfolge schwere Vorwürfe. “Ich beschuldige Sergej Schoigu direkt mindestens der kriminellen Fahrlässigkeit”, sagte Igor Girkin in einem Videointerview, das am Freitag auf seinem Telegram-Kanal veröffentlicht wurde.
“Ich habe keinen Grund, ihn des Verrats zu beschuldigen. Aber ich würde das vermuten.” Das ist der bisher schärfste öffentliche Angriff auf Russlands militärische Führung von einem der prominenten Hardliner, die auf eine intensivere kriegerische Kampagne in der Ukraine drängen. Der Kreml äußerte sich zunächst nicht dazu. Zuvor hatte der ehemalige Kreml-Söldner Marat Gabidullin von der berüchtigten Wagner-Gruppe der Nachrichtenagentur Reuters gesagt, Moskaus Truppen seien schlecht auf den Krieg vorbereitet.
Putin distanziert sich von Schoigu bisher nicht
Girkin, der das russische Pseudonym “Strelkow” für Schütze trägt, ist im Westen kein Unbekannter: Er wurde von niederländischen Staatsanwälten des Mordes wegen seiner mutmaßlichen Rolle beim Abschuss des Flugs MH17 der Malaysia Airlines über der Ukraine im Jahr 2014 angeklagt. Dabei waren fast 300 Menschen ums Leben gekommen.
Trotz wiederholter Rückschläge und schwerer Verluste im Verlauf der seit 79 Tage währenden Invasion zeigt der russische Präsident Wladimir Putin bisher keine Anzeichen dafür, sich von Schoigu zu distanzieren. Der Minister beteiligte sich am Montag auf dem Roten Platz an den Gedenkfeiern zum 77. Jahrestag des Sieges über Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg.
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