
Sebastian Kurz bedauert gescheiterte Verhandlungen: „Blau-Schwarz wäre gut für Österreich“
In seinem jüngsten Interview kritisiert Ex-Kanzler Kurz Bundespräsident Van der Bellen und betont: „Eine Mitte-Rechts-Regierung hätte Österreich gutgetan.“ Zudem spricht er über ein mögliches Comeback, Europas Schwäche, Chancen auf Frieden in der Ukraine, Donald Trump – und teilt gegen Angela Merkel aus.

Dass Österreich nach 140 Tagen noch immer keine Regierung hat, sei auch dem Bundespräsidenten anzulasten, sagt Ex-Kanzler Sebastian Kurz. „Es war ein schwerer Fehler, dass er nicht dem Gewinner der Wahl, Herbert Kickl, den Regierungsbildungsauftrag erteilt hat. Dadurch ist viel Zeit verloren gegangen.“
Blau-Schwarz: Eine verpasste Chance?
Zum Aus für Blau-Schwarz meint Kurz auf oe24.TV: „Ich hätte eigentlich geglaubt, dass es eine Regierung zwischen FPÖ und ÖVP gibt.“ Eine solche Koalition wäre aus verschiedenen Gründen auch im Interesse Österreichs gewesen, wie der Alt-Kanzler unterstreicht. „Ich glaube, dass eine Mitte-Rechts-Regierung – in vielen Fragen vom Wirtschaftsstandort bis zur Migration – dem Land gutgetan hätte.“
Es habe ihn auch überrascht, dass FPÖ-Chef Herbert Kickl „diese Chance nicht genutzt hat, Bundeskanzler zu werden“. Koalitionsverhandlungen müssten auf Augenhöhe geführt werden, ohne den anderen zu unterwerfen.
In die Verhandlungen – auch die jetzigen mit der SPÖ – sei er „nicht involviert“, wie Kurz gegenüber Niki Fellner betont. „ÖVP-Chef Christian Stocker ist jemand, der als ÖVP-Chef jetzt wirklich eine große Souveränität hineinbringt. Und daher gehe ich auch davon aus, dass es ihm gelingen wird, eine Regierung zu bilden.“

Europa sollte auf Frieden in der Ukraine hinarbeiten
Zur Innenpolitik wollte sich Kurz nicht äußern, allerdings ging er auf die Europapolitik ein, wo er zwei „ganz stark brennende Themen“ sieht. Einerseits müsse die Europäische Union seiner Meinung nach versuchen, „einen Beitrag zu leisten, dass der Krieg beendet wird.“
Er wünsche sich, dass Europa darauf hinarbeitet, Frieden zu ermöglichen: „Donald Trump hat eine Initiative ergriffen. Putin hat sich offen gezeigt. Selenskyj hat bei der Münchner Sicherheitskonferenz nicht mehr vom Sieg gesprochen, sondern vom Frieden. Es ist also angerichtet.“

Europas sinkende Wettbewerbsfähigkeit gefährdet den Wohlstand
Das zweite „Mega-Thema“ sei die Wettbewerbsfähigkeit. „Da fällt Europa massiv zurück. Das hat damit zu tun, dass die Energiekosten auch aufgrund des Krieges und falscher politischer Entscheidungen in die Höhe geschossen sind. Die Amerikaner investieren gerade 500 Milliarden im Bereich künstliche Intelligenz. Wir haben da total den Anschluss verloren.“
Für den Ex-Kanzler steht fest: „Wenn Europa nicht an Wettbewerbsfähigkeit gewinnt, dann wird der Wohlstand nach unten gehen. Und dann bleibt noch immer das ungelöste Thema der illegalen Migration.“

Hoffnung auf Migrationswende in Deutschland
Sebastian Kurz hofft, dass die Ampel-Koalition nach den Bundestagswahlen am Sonntag endet – und auf eine „Trendwende in der Migrationspolitik“. Denn, so Kurz: „Wenn das in Deutschland beginnt, kann man hoffentlich ganz Europa mitreißen.“
Den Vorstoß von Friedrich Merz zum Migrationspakt begrüßte er ausdrücklich. Mit Sarkasmus kommentierte er jedoch dessen Scheitern im Bundestag: Einige Abgeordnete von CDU und FDP enthielten sich, weil auch die AfD zustimmte. „Die Deutschen haben jetzt sogar das Phänomen, dass sie sich nicht nur vor denen fürchten, die anderer Meinung sind, sondern auch vor denen, die die gleiche Meinung haben.“
Davon hält er nichts: „Man kann ja wohl nicht eine falsche Migrationspolitik machen – nur aus Angst, dass die AfD sonst die gleiche Meinung haben könnte. Das habe ich wirklich absurd gefunden.“
Kritik an Merkel und Lob für Trump
Dann folgt noch ein Seitenhieb auf die ehemalige Bundeskanzlerin, mit der Sebastian Kurz in Migrationsfragen oft aneinandergeraten war: „Dass Angela Merkel Friedrich Merz für seinen Vorstoß kritisiert hat, hat, glaube ich, gezeigt, dass er auf dem richtigen Weg war.“
Zu Donald Trump äußerte sich Kurz ebenfalls: „Die Geschwindigkeit und Entschlossenheit, mit der die amerikanische Administration jetzt an viele Fragen herangeht, ist schon beachtlich. Und vieles wird ja bei uns in Österreich und in Europa medial immer negativ transportiert. Aber dass dort jetzt einmal versucht wird, den öffentlichen Bereich zu entschlanken, dass der Steuerzahler weniger Kosten hat für die eigene Verwaltung, das ist gut.
Das Ausmaß, in dem Investitionen in Zukunftsfragen stattfinden, wie etwa bei der künstlichen Intelligenz, ist gut. Aber auch die Bemühungen, da jetzt ein Ende des Krieges zustande zu bringen, das sind eigentlich sehr positive Akzente. „Ich glaube, die haben auch eine positive Auswirkung auf uns, indirekt.“
Unternehmertum statt Politik-Comeback
Ausführlich spricht Sebastian Kurz auch über sein Unternehmen „Dream“, das er vor zwei Jahren gemeinsam mit zwei Partnern in Israel gegründet hat. „Ich habe gesehen, wie stark künstliche Intelligenz die unterschiedlichsten Branchen verändert.“
Auf die Frage nach einem möglichen Polit-Comeback antwortete er: „Ich bin jetzt gerade einmal seit drei Jahren unternehmerisch tätig. Also wenn es nach mir geht, dann möchte ich eigentlich die nächsten Jahre weiterhin da investieren.“
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