Machtkampf in Kiew eskaliert: Selenskyj will Oberbefehlshaber feuern
Selenskyj will es tatsächlich tun: Er plant die Ablösung des Oberbefehlshabers der ukrainischen Streitkräfte Saluschnyj. Diesbezügliche Gerüchte wurden zu Wochenbeginn noch als Fake News abgetan. Nun haben aber Quellen aus dem inneren Machtzirkel verraten, was der ukrainische Präsident plant. Ein Aufschrei in der Ukraine könnte folgen.
Seit Wochenbeginn brodelt die Gerüchteküche. Undichte Stellen in Kiew berichteten von einem brutalen Machtkampf. Offizielle Stellen – darunter das Büro des ukrainischen Präsidenten – dementierten zunächst. Doch in Wahrheit steht es offenbar bereits fest: Wolodymyr Selenskyj bereitet die Ablösung des ukrainischen Oberbefehlshabers Walerij Saluschnyj vor. Es wäre die gravierendste Umbesetzung in der ukrainischen Armee seit Beginn der russischen Invasion.
Selenskyj bot demnach dem Oberbefehlshaber der Streitkräfte zu Wochenbeginn eine neue Aufgabe an. Das erzählten vier mit den Gesprächen vertraute Personen der „Financial Times“. Der General lehnte ab. Das soll allerdings nichts an Selenskyjs Entscheidung ändern, die weitreichende Konsequenzen haben dürfte – für die ukrainische Armee und für Selenskyj selbst. Der Präsident würde sich mit diesem Schritt seines mächtigsten Rivalen entledigen, der sich aber andererseits einer noch größeren Beliebtheit in der Ukraine erfreut als Selenskyj.
Offener Konflikt zwischen Selenskyj und Saluschnyj im November
Seit Monaten wuchsen die Spannungen zwischen dem Präsidenten und dem Oberbefehlshaber. Dazu trugen vor allem Saluschnyjs offene Worte im November über den Kriegsverlauf bei. Er räumte offen das Scheitern der viel gepriesenen ukrainischen Gegenoffensive ein und sprach von einer „Pattsituation“. Für diese Wortwahl wurde er von Selenskyjs Büro gerügt.
Die Folgen im Falle eines Abtritts von Walerij Saluschnyj wären kaum abschätzbar. Beobachter rechnen mit einem Aufschrei in der Ukraine. In einer im Dezember veröffentlichten ukrainischen Umfrage erklärten 88 Prozent der Ukrainer, Saluschnyj zu vertrauen – gegenüber nur 62 Prozent, die Selenskyj ihr Vertrauen schenkten. Nicht minder verheerend wären die Folgen für das ukrainische Militär, in dem Saluschnyj einen großen Rückhalt genießt. „Dies wird sich sehr, sehr negativ auf die Moral der Armee auswirken“, sagte der ukrainische Militärhistoriker Mychajlo Schyrochow dem Kiewer Radio NV. Er hofft noch immer auf ein erfundenes Gerücht.
Doch die Meldungen aus dem inneren Führungszirkel, die ihren Weg an die Öffentlichkeit schaffen, sprechen eine andere Sprache.
Der Präsident lässt sich womöglich noch etwas Zeit
Selenskyj bot Saluschnyj an, künftig den Posten als Verteidigungsberater zu übernehmen. Damit noch nicht genug: Auch wenn Saluschnyj ablehne, sei seine Abberufung bereits beschlossene Sache, erklärte Selenskyj, wie zwei der Whistleblower berichteten. Alle vier anonymen Quellen bestätigten: Die Entscheidung, den Oberbefehlshaber zu entlassen, stehe bereits fest. Allerdings könnte sich Selenskyj damit noch ein wenig Zeit lassen.
Saluschnyj schweigt seither über die Berichte. Seine Ablösung wird wohl auch westliche Unterstützer der Ukraine verunsichern.
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