Zwei Tage nach dem Platzen der blau-schwarzen Koalitionsverhandlungen dürften bald Gespräche zwischen Volkspartei und Sozialdemokratie im Gange sein. ÖVP-Chef Christian Stocker und SPÖ-Chef Andreas Babler sondieren über das Wochenende, ob sie Koalitionsverhandlungen aufnehmen wollen, berichtet oe24.

Sollten die beiden sich auf Regierungsgespräche einigen, könnte Babler schon in wenigen Wochen als Vizekanzler an Stockers Seite stehen. Doch wie steht der ÖVP-Chef eigentlich zu seinem möglichen Regierungspartner? In der Vergangenheit hat Stocker über Babler nicht gerade diplomatisch gesprochen.

Stocker: SPÖ ist „marxistische Linkspartei“

„Bablers angeblicher Wandel vom marxistischen Hardliner zum gemäßigten Politiker der Mitte ist in jeder Form unglaubwürdig. Den einzigen Wandel, den Babler hingelegt hat, ist jener vom offenen zum verkappten Marxisten“, schimpfte Stocker, der damals noch ÖVP-Generalsekretär war, vor noch nicht einmal einem Jahr – im Mai 2024.

Andreas Babler habe aus der SPÖ eine „marxistische Linkspartei“ gemacht, hielt Stocker zuvor im März 2024 fest. „Andreas Babler treibt die SPÖ personell und inhaltlich an den linkesten Rand im politischen Spektrum“, erklärte er im November 2023. Im selben Jahr bezeichnete der ÖVPler seinen Kollegen als „schon-oder-doch-nicht-Marxist“.

ÖVP-Granden wollen wieder mit SPÖ sprechen

Doch nun scheint den ÖVP-Spitzen alles lieber zu sein als Neuwahlen – sogar eine Koalition mit Bablers SPÖ. Damit sind sie ganz auf einer Linie mit dem SPÖ-Chef, der ebenfalls nichts von Neuwahlen hält und betont: „Wir stehen auch jetzt bereit, Verantwortung zu übernehmen.“ Babler zeigt sich offen für neue Gespräche mit der ÖVP – und hat Stocker seine „Marxisten“-Sager offenbar bereits verziehen.

In der Volkspartei stellt man sich demonstrativ hinter den eigenen Chef. Fast alle ÖVP-Landeschefs und Parteigranden haben sich mittlerweile klar gegen Neuwahlen oder eine Expertenregierung ausgesprochen.

OÖ-Chef Stelzer für ÖVP-SPÖ Koalition

Neuwahlen würden dem Land „massiv schaden“, sagt etwa der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP), der Stocker am Donnerstag zu dem Gespräch in der Hofburg begleitet hatte. Was es brauche, sei eine Regierung mit einer Mehrheit. Dies gilt für Stelzer auch, wenn sie nur ein Mandat Überhang hat. Oberösterreichs ÖVP-Chef spricht sich hiermit für eine Koalition mit der SPÖ aus, denn ein Mandat Überhang würde im Falle einer ÖVP-SPÖ-Regierung eintreffen.

Wiens ÖVP-Chef Karl Mahrer ist einer Neuauflage der Ampel-Koalition aus ÖVP, SPÖ und NEOS nicht abgeneigt. Die Verhandlungen mit der SPÖ und den NEOS seien durchaus erfolgversprechend gewesen, gescheitert seien sie nur, weil SPÖ-Chef Babler Vorstellungen auf den Tisch gelegt habe, die nicht akzeptabel gewesen seien.

ÖVP-Tirol-Chef für „Zuckerl“, aber mit Bedingung

Tirols Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) äußerte sich dazu bereits am Mittwoch. Er ist für eine neue Auflage der „Zuckerl“-Koalition. Allerdings unter einer Bedingung: Dass sich Andreas Babler zurückzieht und den Platz als Vizekanzler einem anderen Sozialdemokraten überlässt.

Durchgehender Tenor: Keine Expertenregierung, keine Neuwahlen

Salzburgs geschäftsführende ÖVP-Chefin Karoline Edtstadler legte sich hinsichtlich möglicher Koalitionspartner nicht fest und verwies darauf, dass Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Zug sei. Sie stellt aber klar: „Neuwahlen oder die Einsetzung einer Expertenregierung lösen die drängenden Herausforderungen nicht.“

Ähnlich die steirische ÖVP-Obfrau Manuela Khom. Sie hatte sich schon am Mittwoch dafür ausgesprochen, dass die Volkspartei nun mit allen anderen Parteien wieder Gespräche aufnehmen soll. Am Donnerstag unterstrich sie diese Haltung und sagte auch, dass sie weder für eine Expertenregierung noch für Neuwahlen sei.

Nur Mikl-Leitner bleibt vage

Auch Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) meinte am Donnerstag, der Ball liege beim Bundespräsidenten. „Entweder reißen sich jetzt alle auf Bundesebene noch einmal zusammen und es gelingt, die eine oder andere Brücke wieder zu bauen. Andernfalls steuern wir pfeilgerade auf Neuwahlen zu“, so Wallner. Eine Neuwahl sah er aufgrund des Zeitverlusts als problematisch an.

Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) blieb allgemein: „Unsere Republik braucht jetzt rasch Stabilität und eine klare wirtschaftsbelebende Ausrichtung. Und dazu ist jetzt der Bundespräsident am Wort“, hielt sie fest.