
Massive Aufrüstung der EU? Nur fehlen vorne und hinten die Fachkräfte
Die EU-Kommission und führende europäische Politiker sparen dieser Tage nicht damit, dick aufzutragen, wenn es um die militärische Aufrüstung des Kontinents geht. Jedoch gibt es einen Haken.
Nachdem Donald Trump und die USA mehrfach eindringlich signalisiert haben, dass sie künftig keine militärische Schutzmacht mehr für Europa sein wollen, überschlagen sich europäische Politiker fast vor Eifer, vollmundige Ansagen hinsichtlich der Aufrüstung ihrer Länder, ja der EU zu machen. Das Gros der europäischen Staats- und Regierungschefs hat vor allem vor einem Land Angst: Russland.
Insofern sie befürchten, dass Kremlchef Wladimir Putin seine imperialistischen (Wahn-)Vorstellungen auch über die Westgrenzen der Ukraine hinweg ausleben könnte, ergehen sie sich in rüstungspolitischem Aktionismus. In allen europäischen Mitgliedstaaten der Nato soll der Anteil der Verteidigungsausgaben auf über zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) hochgeschraubt werden.
Allein, den hochtrabenden Plänen sind Grenzen gesetzt, nicht zuletzt in Sachen Humanressourcen, wie der “Spiegel” berichtet. Laut Berechnungen der Unternehmensberatung Kearney müssen in der europäischen Rüstungsindustrie mehrere Hunderttausend neue Stellen besetzt werden.
Fachkräfte für die Militärindustrie sind in Europa rar
Bei einer Erhöhung der Militärausgaben auf zwei Prozent des BIP täte sich in Europa eine Lücke von etwa 163.000 Fachkräften auf, so die Experten von Kearney. Eine Anhebung auf 2,5 Prozent des BIP würde bereits ein Personalloch von etwa 460.000 offenen Stellen aufreißen. Bei drei Prozent, wie das in der Nato in diesen Tagen intensiv diskutiert wird, wären es sogar bis zu 760.000 fehlende Fachkräfte, berichtet der “Spiegel”.
Besonders dramatisch sei die Lage auf technologischer Ebene, etwa bei künstlicher Intelligenz (KI), sagt Kearney-Partner Guido Hertel. Experten, die den technologischen Wandel zu autonomen Waffensystemen, stärkerer Vernetzung auf dem Gefechtsfeld und elektronischer Kriegsführung begleiten könnten, seien dünn gesät.
Was noch hinzukommt: Es sei schwierig, eine große Zahl von fähigen Arbeitskräften zu rekrutieren. Der Grund: Die Militärindustrie wird von außen deutlich kritischer wahrgenommen, als sie sich selbst beurteilt. Die Berater von Kearney hatten 100 Führungskräfte aus Rüstungsfirmen befragt, 60 Prozent schätzen ihre Branche demnach als attraktiv ein. Von Uni-Absolventen werden die Unternehmen noch weniger geschätzt.
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