Massive Erleichterungen für ausländische Fachkräfte am heimischen Arbeitsmarkt
Ein Gesetzestext zur Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte befindet sich in Begutachtung. Er soll Fachkräften aus Drittstaaten den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern – und zwar deutlich. Die Verfahren sollen einfacher und schneller werden. Der Grund: Mehr als zwei Drittel der Betriebe klagen über fehlende Facharbeiter.
Wer Deutsch beherrscht und in einem Mangelberuf tätig ist, kann künftig unkompliziert die Rot-Weiß-Rot-Karte erhalten, ebenso wer kein Deutsch spricht, dafür aber Englisch, sofern das die Sprache an seinem Arbeitsplatz ist. Erfahrene Programmierer werden darüber hinaus selbst ohne Studienabschluss zugelassen. Neu ist auch eine Rot-Weiß-Rot-Karte für Saisonarbeitskräfte, und länger gültige Sprachzertifikate.
124.000 offene Stellen in Österreich
Das sind einige der Änderungen, die mit der geplanten Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte einhergehen. Damit will die Regierung den Facharbeitermangel bekämpfen, über den mittlerweile 68 Prozent der heimischen Betriebe klagen. Für viele behindert dieses Problem bereits ihre Geschäftstätigkeit. Beim AMS sind zurzeit 124.000 offene Stellen gemeldet.
Die bisherige Rot-Weiß-Rot-Karte sei zu kompliziert und vor allem zu bürokratisch gewesen, klagen Unternehmen. „Es geht um kein Senken der Standards generell, sondern immer um qualifizierten Zugang”, sagt Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP). „Wir wollen das Potenzialwachstum stützen, und es nicht durch den Facharbeitermangel beeinträchtigen.“
„Revolution für IT-Branche und Startups“
Von einer “Revolution für die IT-Branche und für Startups” spricht Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP), etwa unter Verweis auf erleichterte Visumsbestimmungen für sechs Monate kriegen. Darüber hinaus würde die Gesetzesreform auch hierzulande ausgebildeten Studenten erleichtern, weiterhin in Österreich zu arbeiten. In der Vergangenheit habe man viele ins Ausland verloren – zum Schaden für den gesamten Arbeitsmarkt: „Ein IT-Arbeitsplatz schafft drei weitere Arbeitsplätze.“
Dien wichtigsten Änderungen im Überblick:
Personen, die drei Jahre als Saisonnier beschäftigt waren, können künftig zu Stammsaisonniers werden. Wer zwei Jahre als Stammsaisonnier beschäftigt war, kann eine Rot-Weiß-Rot-Karte als Stammmitarbeiter bekommen. Davon sollen insbesondere Land- und Forstwirtschaft sowie der Tourismus profitieren.
Spezialisten können nun für ein Projekt für bis zu sechs Monate nach Österreich kommen. Dabei brauchen sie nur ein Visum und eine Beschäftigungsbewilligung, aber kein umfassendes Verfahren. Der spätere Umstieg auf eine Rot-Weiß-Rot-Karte soll möglich sein.
Lockerungen stehen auch beim Punktesystem an. In Zukunft werden bei Mangelberufen Lehrabschlüsse mit Universitätsabschlüssen punktemäßig gleichgestellt. Es gibt gleiche Punkte für Englisch- wie für Deutschkenntnisse, wenn die Unternehmenssprache Englisch ist. „Immer mehr Unternehmen haben Englisch als Konzernsprache, auch Startups, nicht nur internationale Unternehmen“, unterstreicht Schrammböck.
Erleichterungen gibt es auch für Studienabsolventen. Hier kommt in künftig zu einem völligen Entfall der Gehaltsgrenzen. Bisher lag die Gehaltsgrenze bei 2.551,50 Euro.
Bei sogenannten “sonstigen Schlüsselkräften” wird in Zukunft stärkere Rücksicht auf die Berufserfahrung gelegt. Die Berufserfahrung wird auch dann angerechnet, wenn die Ausbildung in einem anderen Bereich absolviert wurde.
Mit der Reform wird auch die bis 2023 vorgesehene Umsetzung der EU-Blue Card-Richtlinie umgesetzt. IT-Kräfte mit dreijähriger Berufserfahrung können auch dann zugelassen werden, wenn diese kein Studium abgeschlossen haben. Auch ein Wechsel des Arbeitgebers wird erleichtert: Man kann nach einer Wartefrist von 30 Tagen automatisch anfangen, auch wenn der Prozess noch nicht abgeschlossen ist.
Beim „Rennen um Fachkräfte“ nicht ins Hintertreffen geraten
Das Rennen um Fachkräfte ist ein globales Thema“, sagt die Wirtschaftsministerin. „Wir können nicht zulassen, dass andere Staaten an uns vorbeiziehen.“ Neben dem Anwerben qualifizierter Zuwanderer aus Drittstaaten setze man auf Investitionen in die heimische Ausbildung und bemühe sich darüber hinaus um Fachkräfte aus dem EU-Raum. „Weg von Vater Staat, hin zu einem Dienstleistungsstaat“, sei die Devise. „Wie wollen ein Hafen für Talente sein“, unterstreicht Margarete Schrammböck. Das von der Gewerkschaft befürchtete Lohn-Dumping sieht Kocher nicht, da es um einen qualifizierten Zugang gehe.
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