Eine zerstrittene Sozialdemokratie, in der sich mehrere Fraktionen gegenüberstehen, erlebten die Verhandler bereits beim ersten Anlauf für die zunächst gescheiterte Ampel-Koalition. Die SPÖ konnte sich nicht einmal auf maximal fünf rote Vertreter pro Untergruppe einigen, berichten Teilnehmer. Stattdessen schickten alle parteiinternen „Fraktionen“ ihre Leute: die SPÖ Burgenland, die Wiener SPÖ, die Gewerkschaft und das Team um Andreas Babler.

Babler sei damals seiner Partei mehrfach in den Rücken gefallen, heißt es bei den NEOS. Selbst Kompromisse, denen die Gewerkschafter bereits zugestimmt hatten, zog er wieder zurück.

Bürgermeister Michael Ludwig (Bild) und Babler liegen vor allem beim Finanzressort über Kreuz.APA/HELMUT FOHRINGER

Jetzt eskaliert der Streit um Posten

Beim zweiten Anlauf scheint man sich inhaltlich vorerst geeinigt zu haben, dafür tobt nun ein heftiger Machtkampf um die Ministerposten. Vor allem drei Schlüsselressorts sind umkämpft: das Finanz-, das Infrastruktur- und das Justizministerium. In informellen Runden und im SPÖ-Präsidium wird heftig gestritten.

Babler gegen Wien

Die Ressortdebatte spiegelt den innerparteilichen Machtkampf wider. Seit der knappen Entscheidung um den Parteivorsitz 2023 ist die SPÖ tief gespalten in verschiedene regionale Machtzentren. Vor allem Wiens Bürgermeister Michael Ludwig stellt sich in der Personalpolitik gegen Babler. Während Babler linke Vertraute in die Regierung holen will, setzt die Wiener SPÖ auf erfahrene, gemäßigte Kandidaten. In den entscheidenden Fragen dürfte sich aber Ludwig durchsetzen. Babler kämpft um Einfluss, doch es zeichnen sich bereits mehrere Niederlagen für ihn ab.

3. Juni 2023: Seit der Kampfabstimmung beim außerordentlichen SPÖ-Bundesparteitag zwischen dem burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (l.) und Andreas Babler (r.) ist die Partei gespalten. Zwischen den beiden: die Leiterin der SPÖ-Wahlkommission Michaela Grubesa.APA/HELMUT FOHRINGER

Ludwig pocht auf Finanzministerium für Hanke

Ein zentraler Streitpunkt ist das Finanzministerium. Michael Ludwig will dort den Wiener Finanzstadtrat Peter Hanke sehen und scheint davon nicht abzurücken. Babler hingegen möchte eine loyale Vertraute auf diesem Posten haben. Ein frustrierter Babler soll mehrmals ausgerufen haben: „Ich lasse mir nicht diktieren, wer Finanzminister wird“, berichtet oe24. „Dann trägt Babler die alleinige Verantwortung für diese Regierung“, soll Wiens Bürgermeister Michael Ludwig entgegnet haben.

Zunächst war aus Bablers Umfeld Silvia Angelo (ÖBB-Vorstand mit Gewerkschaftshintergrund) ins Spiel gebracht worden, die aber absagte. Nun werden die SPÖ-Nationalratsabgeordnete Michaela Schmidt, die Managerin Helene Schuberth oder der Ökonom Markus Materbauer genannt.

Vieles deutet aber darauf hin, dass sich Ludwig durchsetzt und Hanke Finanzminister wird – eine klare Niederlage für Babler.

Der Wiener Finanzstadtrat Michael Hanke (Bild) soll neuer Finanzminister werden - auf Wunsch Ludwigs, nicht auf seinen eigenen.APA/APA/HANS KLAUS TECHT

Infrastrukturministerium: Der nächste Streit

Der nächste Machtkampf entbrennt um das Infrastrukturministerium. Babler bietet Ludwig einen Deal an: Hanke verzichtet auf das Finanzministerministerium und wird dafür Infrastrukturminister. Doch hier hat die Nationalratsabgeordnete und Dritte Nationalratspräsidentin Doris Bures andere Pläne – sie unterstützt den niederösterreichischen SPÖ-Chef Sven Hergovich. Das lehnt Babler wiederum klar ab, denn Hergovich hatte einst Doskozil in der Kampfabstimmung unterstützt.

Sollte Babler auch hier scheitern, würde er gerne selbst das Ministerium übernehmen, wie mittlerweile kolportiert wird. Dann würde er sich als Vizekanzler eine extrem arbeitsintensive Aufgabe aufladen. Intern gibt es daran erhebliche Zweifel. Favorit bleibt Hergovich, was die nächste Niederlage für Babler bedeuten würde, der dann einen parteiinternen Rivalen ins Ministeramt hieven würde.

Der Landesparteichef der SPÖ Niederösterreich Sven Hergovich (Bild) gilt als Favorit für das Infrastrukturministerium.APA/HELMUT FOHRINGER

Justizressort: Babler steckt zurück

Auch im Justizressort musste Babler zurückstecken. Ursprünglich wollte er die ehemalige Nationalratsabgeordnete und nunmehrige Rechtsanwältin Muna Duzdar für diesen Posten. Doch die Babler-Anhängerin der ersten Stunde hat intern keinen starken Rückhalt, schon gar nicht in der Wiener Landesorganisation, aus der sie eigentlich stammt. Sie sei schon aus dem Rennen, heißt es.

Stattdessen sind der Richter Oliver Scheiber und die Kärntner Landeshauptmann-Stellvertreterin Gabi Schaunig als Alternativen im Gespräch. Duzdar wird nun als Staatssekretärin für Medien oder Integration gehandelt. Möglicherweise könnte aber auch Babler selbst Kultur, Sport und Medien in Personalunion führen – vor allem, wenn er nicht das Infrastrukturministerium übernimmt. Ein Trostpflaster.

Mit seiner Wunschbesetzung für das Justizressort – Muna Duzdar (Bild) – kann sich Babler offensichtlich auch nicht durchsetzen. APA/MAX SLOVENCIK

Zwei Ministerposten fix

Babler fehlt offenbar der nötige Rückhalt in den Gremien und Landesorganisationen, um mit seinen Vorschlägen durchzukommen.

Die Ressortverteilung zwischen den Parteien steht auf jeden Fall fest: Die SPÖ erhält sechs Ministerien, die ÖVP ebenso, die NEOS zwei.

Was überdies fix zu sein scheint: Das Sozialministerium wandert an eine Arbeitnehmervertreterin – Korinna Schumann, Vizepräsidentin des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB). Frauen- und Wissenschaftsministerin wird Eva-Maria Holzleitner. Damit hätten die Roten bereits zwei fixe Besetzungen. Immerhin.