Genau drei Jahre ist es her, dass EDEKA mit der Zurschaustellung der „richtigen“ Gesinnung öffentliche Aufmerksamkeit erregte: Der Bonner Smoothie-Produzent True Fruits hatte Auszüge aus den Wahlprogrammen der im Bundestag vertretenen Parteien auf seine Fläschchen gedruckt. Edeka schickt die AfD-Versionen zurück – mit der tugendsignalisierenden Begründung: „Rechts ist bei uns kein Platz im Regal.“ Ganz links im Regal war aber sehr wohl Platz. Der Saftproduzent sah darin „peinliches Social Signaling“ und „Populismus“.

Man wollte alle sechs großen Parteien des Bundestags präsentieren, damit die Käufer sich selbst ein Bild machen können. Zu viel der Vielfalt, deren sich EDEKA sonst rühmt. Und mit der Toleranz war es offenbar auch nicht weit her. Es blieb nicht bei dieser gratismutigen Aktion. In der Corona-Zeit warb die Supermarktkette nicht nur für ihre Produkte, sondern auch für die experimentellen Impfstoffe, ganz im Sinne der Regierung.

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Schon 1933 sang EDEKA das Lied der neuen Machthaber. Viele zum großen Teil in jüdischem Besitz befindliche Kaufhäuser mussten 1933 ihre Lebensmittelabteilungen zunächst schließen. Die aus der Arbeiterbewegung gewachsenen Konsumgenossenschaften litten zunächst unter Boykottaktionen und wurden später gleichgeschaltet. EDEKA dagegen blieben weitgehend unangetastet: Sie schalteten sich freiwillig gleich, Generaldirektor Fritz Borrmann trat rasch der NSDAP bei und EDEKA profitierte davon, dass das Nazi-Regime die jüdische Konkurrenz ausschaltete.

Heute koordiniert die Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler (E.D.K., später EDEKA) Einkaufsaktivitäten, aber ein einheitliches Werbekonzept für die ganze Gruppe. Insofern müssen die 3.400 selbstständigen Kaufleute jetzt damit leben, dass EDEKA sich politisch positioniert, ob sie diese Haltung teilen oder nicht. Tatsächlich beschweren sich Filialleiter im Internet und distanzieren sich von der Kampagn

Marketing-Abteilung soll eigenmächtig gehandelt haben

Es heißt, dass die Regionalgesellschaften des Unternehmensverbunds nicht informiert waren und die Marketing-Abteilung der Zentrale eigenmächtig gehandelt haben soll. Gerade die Autonomie der selbstständigen Kaufleute ist aber ein zentrales Element des franchisesystemartigen Edeka-Modells, und die möchten sich nicht von der Marketing-Abteilung in der Zentrale politisch vereinnahmen lassen – abgesehen davon, dass Unmut der Kunden zu Umsatzeinbußen führen kann. In den USA ist gemäß der Warnung „Go woke, go broke“ für einige Unternehmen das politische Engagement nach hinten losgegangen, manche schwenken jetzt um.

„Klare Haltung“: Wir sind die Guten!

Auch vielen EDEKA-Kunden geht die gratismutige Aktion gegen den Strich. Allerdings: Folgten sie der Empfehlung „Dann geh‘ doch zu Netto“, wäre das keine echte Alternative, denn auch der Discountfilialist wird mehrheitlich von EDEKA kontrolliert.

Was treibt ein Unternehmen mit 410.700 Mitarbeitern und 70,7 Milliarden Euro Umsatz ohne Not zu einer solchen Kampagne wie „Blau steht nicht zur Wahl“? Das liegt zum einen am politisch-gesellschaftlichen Klima, der Spaltung in „gut“ und „böse“ und der deshalb aktuell verbreiteten Neigung, sich möglichst nicht außerhalb des vermeintlichen Zeitgeist-Konsenses zu positionieren.

Im Fall EDEKA kommt hinzu, dass der Vorstandsvorsitzende Markus Mosa im Kuratorium der Deutschlandstiftung Integration sitzt, die „als medienverbundene Stiftung zur Entstehung eines neuen, vorurteilsfreien Gesellschaftsbildes beitragen und die Integration fördern (soll)“. Unter anderem mit der bundesweiten Kampagne „Meine Stimme gegen Hass“ von Rechten und Rassisten. Schirmherr er Deutschlandstiftung Integration ist Bundeskanzler Olaf Scholz, Vorsitzender des Stiftungsrates ist der frühere Bundespräsident Christian Wulff. Wer mit den großen politischen Hunden pinkelt, dürfte dem Unternehmen seine Gesinnung aufprägen. Mosa selbst spricht von „geschlossenem Auftreten und einer klaren Haltung“ seiner Firma.

Bloß nicht aus der Reihe tanzen

Laut einer Konzernsprecherin sind für den EDEKA-Verbund „Vielfalt, Toleranz und das Bekenntnis zu einer offenen Gesellschaft elementare Werte, zu denen wir uns bekennen und die in unserem Selbstverständnis verankert sind.“ Man legt Wert darauf, „wirtschaftliches Wachstum und gesamtgesellschaftliche Verantwortung in Einklang zu bringen“.

Der „gesamtgesellschaftliche Verantwortung“ entsprechen die unseligen ESG-Kriterien, die Firmen mit der Integration von Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsaspekten auf Linie bringen sollen. Eine Handvoll Rating-Agenturen stellt ESG-Scores bereit, die es Investoren ermöglichen, das Unternehmen im Vergleich zu einer Branche oder einer ausgewählten Gruppe vergleichbarer Unternehmen einzustufen.

Je weniger „nachhaltig“ ein Unternehmen produziert, je weniger männliche Mitarbeiter sie in „Diversity“-Schulungen schickt, in denen sie lernen, sich für ihre toxische Männlichkeit zu schämen, und je weniger in Workshops über Antidiskriminierung oder sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz gesprochen wird, desto weniger Punkte gibt es im Rating für das Unternehmen. Wer nicht riskieren will, keinen günstigen Kredit mehr zu bekommen, macht den woken Zirkus mit.

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Mitmachen aus Angst vor möglichem Image-Schaden

Auch für die Reputation der Firma gilt ein Ausscheren aus dem ESG-Gleichschritt als schädlich. Keine Führungskraft will in der Branche als schwarzes Schaf angesehen werden, der mögliche Image-Schaden gehört für viele heute zu den Top-Risiken. Dann lieber, wie EDEKA aktuell, mit den Wölfen heulen und politisch Flagge zeigen. Kostet ja nix, weil man sich gesellschaftspolitisch auf der sicheren Seite wähnt.

Das woke Virus stellt sich so für ein profitorientiertes Unternehmen als Autoimmunerkrankung dar. Nicht nur, dass zeitgeistbeseelte Berater vielen Chefs, die nicht die geringste Ahnung von den Urgründen des woken Wahns haben, den Floh ins Ohr setzen, dass es da unbedingt mitzumachen gilt – es steht dem natürlichen Gewinnstreben auch diametral entgegen. Viel zu holen gibt es mit Tugendprotzerei nicht, aber einiges zu verlieren, wenn man Subunternehmer, Kunden und Lieferanten verprellt.

Dass in der Praxis geschäftsschädigendes Verhalten von ganz oben angeordnet wird, ist ein ziemlich neuartiges Phänomen, für das der Herdentrieb als Erklärung nicht ausreicht, auch wenn der Bundeskanzler höchstselbst zum „Unterhaken“ auffordert. Eigentlich müssten die Widersprüche der vermeintlich richtigen Gesinnung einem klugen Unternehmer geradezu entgegenspringen. Warum etwa war die Unterstützung von Rüstungsanstrengungen vor dem Ukraine-Krieg ein No-Go und heute geradezu ein Muss? Herrscht da nicht ein gerütteltes Maß an Willkür, das einen aufgeweckten Firmenlenker stutzig machen müsste?

Es ist keineswegs ausgemacht, dass EDEKA die Anti-Blau-Kampagne auf die Füße fällt, allerdings ist auch kein gravierender wirtschaftlicher Schaden sicher. Fest steht nur: EDEKA hat sich auf Gedeih und Verderb dem politischen und gesellschaftlichen Zeitgeist ausgeliefert. Und wenn es schlecht läuft, kann man sich immer noch vom Staat mit Steuergeldern retten lassen. Eine Hand wäscht die andere.