Moskau kontert auf Spionage-Krimi in Wien: "Vergeltungsmaßnahmen unvermeidlich"
Die Reaktion des russischen Botschafters in Wien auf die Ausweisung von vier Kreml-Diplomaten ist hart: “Wien entscheidet sich bewusst für den Abbruch der Beziehungen.” Und er warnt vor “der Unvermeidlichkeit von Vergeltungsmaßnahmen”.
Keine sechs Stunden nach dem Bekanntwerden der Ausweisung von vier in Wien tätigen russischen Diplomaten aufgrund eines Spionage-Verdachts, konterte der Botschafter der Russischen Föderation auf die Anordnung des österreichischen Außenministers Alexander Schallenberg (ÖVP): “Österreich hat keine konkreten Anklagen gegen die vier russischen Diplomaten erhoben. Wien entscheidet sich also für den Abbruch der Beziehungen zu Moskau”, sagte Botschafter Dmitrij Ljubinskij in einem ersten Interview mit dem TV-Sender Rossija 24.
Und Moskaus Botschafter in Wien meinte auch: “Russland hat im österreichischen Außenministerium heftig gegen diese Vorgänge protestiert und vor der Unvermeidlichkeit von Vergeltungsmaßnahmen gewarnt. Wien fährt bewusst damit fort, unsere einst konstruktiven bilateralen Beziehungen und Dialogskanäle zu Fall zu bringen. Gleichzeitig leidet natürlich ihre Autorität als neutrale internationale Verhandlungsplattform, die Fähigkeit und Bereitschaft, jegliche Vermittlungsfunktion wahrzunehmen. Wir haben immer mehr Fragen zur Unabhängigkeit der Außenpolitik der Alpenrepublik.”
Und betont: “Diese unfreundlichen Schritte werden nicht unbemerkt bleiben. Wir werden unsere Schlüsse ziehen und Illusionen sollte Wien keine haben. Moskaus Gegenmaßnahmen werden nicht lange auf sich warten lassen. Die gesamte Verantwortung für den weiteren Zerfall der russisch-österreichischen Beziehungen liegt allein auf der österreichischen Seite.”
Damit ist klar: Die Ausweisung der vier unter Spionageverdacht stehenden Diplomaten bringt das neutrale Österreich in der gesamteuropäisch aktuell extrem brisanten Situation in massive Probleme: Eine Atommacht, die im Krieg steht und derzeit weitere hunderttausende Soldaten mobilisiert, sieht Österreich nun nicht mehr als neutral handelnde Nation an.
Van der Bellen provozierte bereits mit "Kolonialkrieg"–Aussage
Zusätzlich zu den Ausweisungen lieferte bereits Bundespräsident Alexander Van der Bellen (79) zum Wochenbeginn eine Aussage, die von der Russischen Föderation als klare Provokation aufgefasst worden ist: Van der Bellen meinte, dass der russische Angriffskrieg von Moskau wie ein “Kolonialkrieg” geführt werde.
Ein nun vom Kreml angekündigter Abbruch der Beziehungen ist für Österreich alles andere als gut – und die Androhung von Vergeltungsmaßnahmen sollte ebenfalls nicht ignoriert werden. Zur Erinnerung: Russland war eine der Signaturmächte des Staatsvertrags – und nur mit der Zustimmung Russlands im Moskauer Memorandum vom 15. April 1955 war mit einer Garantie der immerwährenden Neutralität Österreichs der Staatsvertrag und ein Ende der Besetzung Österreichs nach dem II. Weltkrieg rasch wieder möglich.
Abgeordnete aus 20 Ländern fordern Russlands Ausladung von OSZE-Tagung
Unterdessen steigt der Druck auf Österreich von anderer Seite. 81 Abgeordnete aus 20 Ländern haben die Bundesregierung aufgefordert, die Teilnahme der russischen Delegation bei der OSZE-Tagung am 23. und 24. Februar in Wien zu verhindern. In dem Brief, aus dem die “Presse” am Donnerstag zitierte, wird Österreich aufgefordert, russischen Abgeordneten, die unter internationalen Sanktionen stehen, keine Visa für die Einreise auszustellen. Das Außenministerium bestätigte den Erhalt des Briefes. Es argumentiert, dass es aufgrund eines Abkommens mit der OSZE der russischen Delegation die Einreise nicht verweigern kann.
Die Verfasser sehen das anders: “Wir erwarten, dass Entscheidungen getroffen werden, die ihre Teilnahme verhindert”, heißt es in dem Schreiben, das an Bundeskanzler Karl Nehammer, Außenminister Alexander Schallenberg und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (alle ÖVP), sowie an Bundesratspräsident Günter Kovacs (SPÖ) und Margareta Cederfelt, die Präsidentin der Parlamentarischen OSZE-Versammlung, gerichtet ist. Die Beteiligung der russischen Abgeordneten genau ein Jahr nach der “verbrecherischen Invasion” in der Ukraine könnte als “Provokation” aufgefasst werden, erklärte die Verfasser. Unterzeichnet wurde der Brief von OSZE-Delegierten aus Polen, Litauen, Belgien, Kanada, Tschechien, Dänemark, Estland, Frankreich, Georgien, Deutschland, Island, Lettland, den Niederlanden, Norwegen, Rumänien, der Slowakei, Slowenien, Schweden, der Ukraine und Großbritannien.
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