Endlich! Nach acht Monaten im Amt: Schellhorns Entbürokratisierungsstelle nimmt Arbeit auf
Staatssekretär Sepp Schellhorn wollte Österreich entbürokratisieren: weniger Vorschriften, halb so viele Berichtspflichten, schnellere Verfahren. Geschehen ist: nichts. Acht Monate später ist es so weit – es gibt eine Servicestelle. Über sie können Bürger dem NEOS-Politiker schreiben, was er deregulieren soll.
Sepp Schellhorn will Österreich entbürokratisieren – doch was genau, weiß er selbst noch nicht so recht. Jetzt ruft er die Bürger zur Hilfe.APA/HANS KLAUS TECHT
Angekündigt hat Sepp Schellhorn, Staatssekretär für Deregulierung, vieles, darunter eine große Bürokratiebremse. Passiert ist – nun ja – noch nichts. Für Schlagzeilen sorgte der NEOS-Politiker bisher vor allem mit seinen Fettnäpfchen-Premieren.
Zuerst das „Audi-Gate“: Statt des vorgesehenen Audi A6 bestellte Schellhorn gleich die A8-Luxus-Variante. „Achter-Sepp“ war geboren, die Grünen schickten 16 Fragen ins Parlament. Dann der NS-Sager: Im TV meinte Schellhorn, er habe sich bei einer Beschimpfung im Zug „wie vor 85 Jahren“ gefühlt. Die Folge: Empörung quer durch alle Parteien und eine Anzeige wegen möglicher NS-Verharmlosung – die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein.
Schließlich der Auftritt als Sommer-Influencer: Im See, in Shorts, mit Werbebotschaft für ein neues Online-Medium. Das Internet tobte – und der Staatssekretär, der Bürokratie abbauen will, schaffte es immerhin, seinen Instagram-Account zu deregulieren.
Jetzt neu: Bürokratieabbau zum Selbermachen
Acht Monate später – pünktlich zum Nationalfeiertag – meldet sich Schellhorn zurück. Jetzt gibt’s die SEDA, die Servicestelle für Entbürokratisierungs- und Deregulierungsanliegen. Klingt groß, richtet sich aber nicht an Behörden, sondern an Bürger, die ihm nun sagen dürfen, was er deregulieren soll.
Anstatt Gesetze zu streichen, bittet der Staatssekretär jetzt um Vorschläge: „Helfen Sie mit!“ steht auf der Website. Die Österreicher sollen ihm melden, welche Vorschriften sie für überflüssig oder hinderlich halten.
Kurz: Sepp Schellhorn fragt das Volk, welche Gesetze er abschaffen soll. Das Motto: Wenn schon keiner weiß, was zu viel ist – fragen wir halt die Leidtragenden.
Große Pläne, kleine Schritte
Sepp Schellhorns Deregulierung nahm bisher vor allem den Weg der großen Ankündigungen. Im März versprach der Staatssekretär eine „Bürokratiebremse – one in, one out“. Für jedes neue Gesetz sollte ein anderes fallen, um Bürger und Betriebe zu entlasten. Klingt nach Aufbruch – umgesetzt wurde davon bislang nichts.
Dann folgte das nächste Ziel: 50 Prozent weniger Berichtspflichten bis 2029. Gemeint sind all die Formulare, Meldungen und Statistiken, die Unternehmen regelmäßig ausfüllen müssen. Auch hier gilt: keine konkrete Maßnahme, keine veröffentlichte Liste, was tatsächlich gestrichen werden soll.
Überdies die „Entbürokratisierungspakete im Herbst“ – etwa mit Änderungen in Gewerbeordnung, Abfallrecht oder Lohnverrechnung. Vielversprechend klingt das, keine Frage. Nur: Passiert ist bis jetzt nichts. Angeblich kommt etwas – „bald“. Wir sind gespannt.
Fortschritt auf Schiene – aber noch im Bahnhof
Immerhin: Zwei Gesetzesvorhaben sind in Bewegung. Die AVG-Novelle zur Beschleunigung von Großverfahren hat den Verfassungsausschuss passiert, steckt aber noch im Parlament. Und das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz hat gerade die Begutachtungsphase überstanden.
Oder, wie man in der Politik sagt: „Wir haben geliefert – fast.“
Statt „weniger Regeln“ gibt’s also vorerst „mehr Mitreden“. Während anderswo Reformen beschlossen werden, ruft man in Österreich die Bürger auf, selbst Vorschläge zu machen: „Helfen Sie mit, die Verwaltung einfacher, verständlicher und bürgernäher zu gestalten!“ Na dann: Vielleicht entbürokratisieren sich die Österreicher irgendwann – von ganz allein.
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