Nach anonymen Anpatzereien gegen Chefredakteur: ORF-Redaktionsrat fordert Suspendierung
Der Ablauf der Kampagne ist nicht neu: Anonyme Anschuldigungen gegen nicht-linke Journalisten oder Politiker werden so lange zum Skandal hochgeschrieben, bis es Konsequenzen gibt. Diese Erfahrung muss aktuell auch Niederösterreichs ORF-Landesintendant Robert Ziegler machen.
Der ORF-Redaktionsrat fordert von Generaldirektor Roland Weißmann die sofortige Suspendierung von Robert Ziegler als Direktor des Landesstudios Niederösterreich. Es geht dabei nicht um eine Vorverurteilung Zieglers, sondern um möglichst weiteren Schaden vom ORF und der Glaubwürdigkeit der Berichterstattung des Landesstudios abzuhalten. Es besteht sonst die Gefahr, dass die Causa Ziegler und damit der ORF zum bestimmenden Thema des Wahlkampfes in Niederösterreich wird. Die Leitung des Landesstudios soll bis zur Klärung des Sachverhaltes von einer untadeligen Person übernommen werden, die über jeden Verdacht einer politischen Schlagseite erhaben ist.
"Kollegen müssen angstfrei arbeiten können"
Weiters fordern wir die Einsetzung einer Kommission, die die Vorwürfe gegen Ziegler restlos aufklärt. Diese Kommission muss mit externer Begleitung erfolgen und völlige Transparenz sicherstellen, damit sich die Öffentlichkeit ein Bild von der Ernsthaftigkeit der Klärung machen kann. Es muss auch sichergestellt werden, dass die Kolleginnen und Kollegen aus dem Landesstudio angstfrei und auf Wunsch unter Schutz ihrer Identität über die Vorfälle im Studio St. Pölten aussagen können. Es darf nicht sein, dass im Landesstudio Listen über mögliche Whistleblower angelegt werden und die betroffenen Personen in weiterer Folge berufliche Nachteile befürchten müssen. Diejenigen, die Missstände in der Redaktion an die Öffentlichkeit bringen, dürfen dafür nicht bestraft werden.
Nahverhältnis mit Politikern nicht akzeptabel
Sollte es sich als wahr erweisen, dass Redakteurinnen und Redakteure angewiesen wurden, Beiträge so zu gestalten, dass bestimmte Politikerinnen und Politiker vorkommen, auch wenn dazu keinerlei journalistische Notwendigkeit besteht, ist das ein klarer Verstoß gegen die gesetzliche Pflicht zur Unabhängigkeit. Denn § 4 (6) ORF-Gesetz ist eindeutig: „Unabhängigkeit ist nicht nur Recht der journalistischen oder programmgestaltenden Mitarbeiter, sondern auch deren Pflicht.“ Auch die ORF-Programmrichtlinien legen unmissverständlich fest, dass Redakteurinnen und Redakteure ihre Aufgaben in Unabhängigkeit und in Eigenverantwortung erledigen müssen.
Ein Naheverhältnis zwischen einem Chefredakteur und einer politischen Partei, zumal einer Regierungspartei, wie es nun in den Medien dokumentiert wird, wäre für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit seiner Verpflichtung zur Unabhängigkeit nicht akzeptabel. Das wurde zuletzt sehr deutlich, als im November der Chefredakteur der Fernseh-Information zurücktreten musste, als seine Chats mit dem früheren Chef der FPÖ öffentlich wurden.
Wie es sich mit einem ZiB-Moderator verhält, der mit einem roten Ex-Kanzler auf Ibiza urlaubte, beschreibt der Redaktionsrat freilich nicht.
Evaluierungskommission wird eingesetzt
ORF-Generaldirektor Roland Weißmann setzt zur Klärung der Vorwürfe jetzt eine Evaluierungs-Kommission ein. Diese Kommission wird vom ehemaligen ORF-Informationsdirektor sowie Kärntner Landesintendanten und Steirischen Landesdirektor Gerhard Draxler geleitet und setzt sich aus folgenden weiteren Mitgliedern zusammen: Dem emeritierten Universitäts-Professor für Zivilrecht, Martin Schauer, dem Direktor des ORF-Landesstudios Wien, Edgar Weinzettl, der ORF-Compliance-Beauftragten Pia Scheck-Kollmann und der ORF-Personaljuristin Elma Osmanovic.
Die Evaluierungs-Kommission wird ihre Arbeit noch diese Woche aufnehmen. Der ORF geht davon aus, dass das offenbar in diversen Medien kursierende „Dossier“, in dem die Vorwürfe angeblich belegt werden, auch der eingesetzten Kommission zur Verfügung gestellt wird.
Festgehalten wird, dass die redaktionelle Verantwortung für jegliche Berichterstattung des Landesstudios weiterhin bei Chefredakteur Benedikt Fuchs und nicht beim Landesdirektor liegt.
Kommentare