Viele Experten gehen nun davon aus, dass Bundespräsident Alexander Van der Bellen nun rasch an einer Expertenregierung basteln wird. Entsprechende Pläne sollen bereits in seiner Schublade sein. Die Installierung einer Expertenregierung wirft aber unweigerlich die Frage auf, wie lange sie Bestand haben wird.

Der Grund: Eine Mehrheit im Nationalrat kann ihr jederzeit das Vertrauen entziehen. In Anbetracht der gescheiterten Koalitionsgespräche und des wechselseitigen Misstrauens zwischen den Parlamentsparteien ist zudem fraglich, ob eine wie immer geartete Expertenregierung überhaupt stabile Mehrheiten hinter sich vereinigen kann.

Andreas Babler (SPÖ) war dem Vernehmen nach das Haupthindernis für eine Einigung zwischen ÖVP, SPÖ und NeosAPA/TOBIAS STEINMAURER

Neuaufrollen der Verhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und Neos?

Ein weiteres Szenario ist die Wiederbelebung der Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und Neos. Sowohl die SPÖ als auch die Neos haben gegenüber der Volkspartei in den vergangenen Tagen deutlich gemacht, dass sie für neue Gespräche offen seien.

„Es gibt Alternativen zu dieser Situation, zu dieser Tyrannei der FPÖ“, sagte etwa Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) wiederum sagte an die Adresse der ÖVP: „Unsere Hand ist weit ausgestreckt“. Zuvor hatte bereits SPÖ-Parteichef Andreas Babler die Wiederaufnahme der Verhandlungen mit der ÖVP angeboten.

Für eine Dreierkoalition müssten allerdings inhaltliche und persönliche Hürden ausgeräumt werden. Die größte Hürde dürfte indes SPÖ-Chef Babler selbst sein, an dessen realitätsfernen und folglich unannehmbaren Forderungen sich während der ersten Dreier-Verhandlungen sowohl ÖVP als auch Neos gestoßen hatten. Babler gilt innerhalb seiner Partei als umstritten, ob er jedoch seinen Platz räumen wird, ist mehr als fraglich.

Bei Neuwahlen dürften Herbert Kickl und die FPÖ wieder zur stimmenstärksten Partei werdenAPA/HELMUT FOHRINGER

Neuwahlen sind frühestens im Sommer möglich

Neuwahlen können wegen gesetzlicher Fristen nicht so schnell abgehalten werden. Zunächst muss der Nationalrat einen Neuwahlbeschluss fassen, dann erlässt die Bundesregierung eine Verordnung, in der Stich- und Wahltag ausgeschrieben werden. Der Stichtag muss am 82. Tag vor dem Wahltag liegen.

Sollte dieser Vorgang zügig über die Runden gebracht werden, könnte die Neuwahl frühestens Ende Mai oder Anfang Juni stattfinden. Eine Zusammenlegung der Nationalratswahl mit der Wien-Wahl am 27. April ist nicht mehr möglich. Für eine Nationalratswahl am 27. April wäre der 4. Februar Stichtag gewesen.

Aus heutiger Sicht hätten Herbert Kickl und die Freiheitlichen bei vorgezogenen Wahlen erneut die Nase vorn. Sie würden sogar ein noch besseres Ergebnis erreichen als bei der letzten Wahl im September 2024, voraussichtlich weit über 30 Prozent. Indes ist auch nicht auszuschließen, dass ÖVP und SPÖ mit neuen Spitzenkandidaten ins Rennen ziehen werden – bei der ÖVP wird der Name Sebastian Kurz immer wieder genannt.