
Nach Koalitions-Ende: Van der Bellen will noch einmal mit allen Parteien reden
Alles bleibt offen. Nach dem Scheitern der blauen-schwarzen Verhandlungen sind alle Augen auf das Staatsoberhaupt gerichtet. Wird der Bundespräsident die Weichen in Richtung Neuwahlen, Minderheitsregierung, Expertenregierung oder doch noch einer Koalition mit parlamentarischer Mehrheit stellen? Nun, er hält sich bedeckt.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen geklagte um 18.30 Uhr die mangelnde Fähigkeit der Parteien, Kompromisse zu finden. In den kommenden Tagen will er nochmals das Gespräch mit allen Parteien suchen, ehe er festlegt, wie es weitergeht. Das Staatsoberhaupt hielt fest: „Wie diese Regierung zusammengesetzt ist, hat für mich grundsätzlich keine Rolle zu spielen.“ Sie müsse nur auf dem Boden der Verfassung stehen.
Van der Bellen sieht fehlendes Vertrauen zwischen FPÖ und ÖVP
Der Bundespräsident wandte sich zunächst an alle „Österreicherinnen und Österreicher und alle, die in Österreich leben“. Die Verhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP seien aus „inhaltlichen“ Gründen und wegen der fehlenden „Vertrauensebene“ ins Stocken geraten. Der freiheitliche Bundesparteiobmann habe Van der Bellen daher mitgeteilt, dass es keine Basis für eine Regierungsbildung gebe. Auf die Frage Van der Bellens, ob die Freiheitlichen auch mit den Sozialdemokraten Gespräche führen wollten, habe Kickl verneint.
Bundespräsident sieht jetzt vier Optionen
Als weitere Schritte nannte Van der Bellen vier verfassungsrechtliche Optionen – ohne Reihung oder Wertung, wie er betonte:
Erstens Neuwahlen, die frühestens in einigen Monaten stattfinden könnten, wobei bis dahin eine geschäftsführende Regierung die Amtsgeschäfte führen würde.
Zweitens eine Minderheitsregierung, die vom Parlament toleriert würde.
Drittens eine Expertenregierung, die für eine gewisse Zeit vom Nationalrat unterstützt wird.
Viertens die Möglichkeit, dass sich doch noch eine Regierungsmehrheit findet.
Kritik an fehlender Kompromissbereitschaft der Parteien
Van der Bellen sah zwei Gründe für das bisherige Scheitern der Koalitionsgespräche: Zum einen habe es keine klar dominierende Kraft im Parlament gegeben. Dies habe die Regierungsbildung erschwert. Weiters kritisierte das Staatsoberhaupt die zunehmende Polarisierung in Österreich und darüber hinaus, die sich in einer abnehmenden Kompromissbereitschaft in der politischen Landschaft widerspiegele. Kompromisse sind kein Zeichen von Schwäche, sondern ebnen den Weg zu gemeinsamen Lösungen”, so Van der Bellen. So habe man in der Vergangenheit oft „gute und tragfähige Ergebnisse für Österreich“ erzielt.
Diese Fähigkeit brauche es auch jetzt. „Der Kompromiss in Österreich ist ein Schatz, ein Kulturgut, mit dem wir immer gut gefahren sind.“ Und: „Ein Verhandlungsprozess ist kein Wettkampf, in dem es nur Gewinner und Verlierer gibt“.
Österreich weiterhin in geordneten Bahnen
Obwohl Österreich noch immer keine neue Regierung habe, gebe es keinen Grund zur Beunruhigung, denn Österreich befinde sich nach wie vor in den geordneten Bahnen der Bundesverfassung.
Ausloten neuer Möglichkeiten durch Gespräch mit allen Parteien
Der Bundespräsident kündigte an, in den kommenden Tagen Gespräche mit Politikern aller Parteien zu führen, um eine Lösung „im Sinne des Staatsganzen“ zu finden.
Abschließend appellierte Alexander Van der Bellen an alle politischen Akteure, den Wert des Kompromisses zu erkennen und gemeinsam Lösungen für Österreich zu erarbeiten. Er betonte, dass die liberale Demokratie vom Kompromiss lebe und nur so eine stabile Gesellschaft gewährleistet werden könne. Alle müssten das Staatsganze im Auge behalten.
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