Neue Spekulationen über Anschlag auf Nord Stream: Russland beginnt mit Reparatur
Selbst die „New York Times“ räumt ein: „Die Theorie, dass Russland für die Explosionen verantwortlich ist, ist nur noch komplizierter geworden.“ Warum sollte Moskau mit der teuren Reparatur beginnen, wenn es selbst seine eigenen Pipelines zuvor bombardiert hat?
Seit dem Anschlag auf die Gas-Pipelines Nord Stream 1 und 2 fragen sich sämtliche Beobachter: Cui bono? Wer profitiert davon? Wer Russland beschuldigt, wird nun in zunehmend kompliziertere Begründungen verwickelt. Das räumt ausgerechnet die „New York Times“ ein: „Die Theorie, dass Russland für die Explosionen verantwortlich ist, die von westlichen Beamten oft wiederholt wird, ist nur noch komplizierter geworden.“
Der Grund: Moskau hat still und heimlich Schritte unternommen, um teure Reparaturen an der riesigen Gaspipeline in Angriff zu nehmen. In den vergangenen Wochen hat Russlands Nord Stream AG die Kosten für die Reparatur des Rohrs und die Wiederherstellung des Gasflusses kalkuliert. Die Informationen stammen von einer mit den Arbeiten vertrauten Person, die anonym bleiben will.
500 Millionen Dollar kostet die Reparatur
Der Kostenvoranschlag für die Reparatur liegt demnach bei 500 Millionen Dollar (470 Millionen Euro). Russlands Berater untersuchen darüber hinaus, wie lange die beschädigten Rohre dem Salzwasser standhalten können. Warum sollte Russland seine eigene Pipeline in die Luft sprengen, nur um sie mehrere Monate später wieder zu reparieren? Das fragt sich auch die „New York Times“: „Die Untersuchungen werfen die Frage auf, warum Russland, wenn es seine eigenen Pipelines bombardiert hat, mit der teuren Reparatur beginnen würde.“
Nach den Explosionen gaben Polen und die Ukraine Russland die Schuld, ohne aber Beweise dafür vorzulegen. Russland hat seinerseits Großbritannien beschuldigt, ebenfalls ohne Beweise.
Nord Stream hat von Anfang an viele Gegner in Europa
An Gegnern des Baus der beiden Pipelines mangelte es von Anfang an nicht. Das erste Paar, Nord Stream I, wurde 2011 in Betrieb genommen. Deutschland wollte billiges, zuverlässiges Gas. Andererseits wollte Russland seine Abhängigkeit von der Durchleitung von Gas durch die Ukraine verringern, ein Land, mit dem es schon lange vor der diesjährigen Invasion eine schwierige Beziehung hatte.
Fast alle anderen europäischen Länder und die Vereinigten Staaten – sowohl unter Obama, als auch unter Trump – waren dagegen. Ein hoher polnischer Beamter verglich das Pipelineprojekt sogar mit dem Pakt zwischen Hitler und Stalin aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, durch den Polen aufgeteilt wurde.
Ukraine sieht im Projekt eine Sicherheitsbedrohung
Der Bau an der noch umstritteneren Pipelin Nord Stream II wurde im September 2021 abgeschlossen, und als sich gerade russische Soldaten an der Grenze zur Ukraine versammelten. Kiew sah in der Pipeline eine Sicherheitsbedrohung. Wenn die russischen Gaslieferanten die Ukraine umgehen könnten, so das Argument, könnte der Kreml die ukrainische Infrastruktur bombardieren.
Die ukrainischen Energieregulierungsbehörden schickten ein 13-seitiges Schreiben an Polen, um die Inbetriebnahme der neuen Pipeline zu verhindern. Der Brief warnte auch vor wirtschaftlichen Folgen für die Ukraine, da russische Unternehmen nach wie vor dafür bezahlen, Gas durch ukrainische Leitungen zu schicken.
„Für Russland ist die Explosion nicht gerade von Vorteil“
Man sieht: Mehrere europäische Staaten haben allen Grund, ein Aus für Nord Stream zu begrüßen. Was gegen die Ukraine als Urheber des Anschlags spricht: Das Land hat keinen Ostseehafen und ihr einziges bekanntes U-Boot wurde 2014 von Russland gekapert.
„Für Russland ist die Explosion nicht gerade von Vorteil“, schreibt die „New York Times“. „Es muss weiterhin Transitgebühren an die Ukraine zahlen, kann das Versprechen billigen Gases nicht ohne Weiteres nutzen, um Deutschland von seinen europäischen Verbündeten abzuspalten, und muss mit hohen Reparaturkosten rechnen.“
Mögliche Sabotage-Motive für den Kreml
Dennoch sieht das US-Blatt Gründe, die für Russlands Urheberschaft sprechen. So werden dank der Sabotage die Preise für die Europäer bis zum Frühjahr „unangenehm hoch sein“. Das schaffe „einen Anreiz für die EU-Länder, die Ukraine zu drängen, ein schnelles Ende des Krieges auszuhandeln, da dieser die Landleitungen bedroht, die das Gas nach Westen bringen.“
Die Sabotage von Nord Stream schaffe auch Unsicherheit darüber, welche andere Infrastruktur angegriffen werden könnte. Bei der Explosion wurde nicht nur die Pipeline beschädigt, sondern auch ein Kabel, das Strom von Schweden nach Polen transportiert.
Die Pipeline gilt als leichtes Anschlagsziel
Fakt ist: Die schwedischen Ermittler haben bis heute keine Beweise für den eigentlichen Urheber gefunden. Dass die Pipeline ein leichtes Anschlagsziel ist, genau davor hat vor 15 Jahren schon eine Studie der schwedischen Regierung gewarnt. Die Pipeline wäre selbst für die rudimentärsten Formen der Sabotage anfällig, schrieben die Analysten, und eine Überwachung unter Wasser wäre nahezu unmöglich. „Ein Taucher würde ausreichen, um einen Sprengsatz zu zünden“, heißt es in der Untersuchung aus 2007. .
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